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»Bloß nicht wie Brasilien spielen«

Aufgalopp beim SC Wiedenbrück: Trainer Gessat muss zehn Neuzugänge einbauen

Rheda-Wiedenbrück (cas). Kurz und knapp fiel vorgestern seine Begrüßungsrede aus. »Wenn wir eine erfolgeiche Saison hinlegen wollen, dürfen wir auf keinen Fall so pomadig auftreten wie Brasilien«, nannte SC Wiedenbrücks Trainer Jürgen Gessat im Kreis seiner erschienenen Schützlinge ein abschreckendes aktuelles Beispiel aus der Beletage des internationalen Fußballs.

Ausgerechnet am Abend des WM-Halbfinalkrachers in Dortmund flossen beim Verbandsliga-Aufsteiger die ersten Schweißtropfen nach den Sommerferien. »Ich hätte nie und nimmer damit gerechnet, dass die Deutschen so weit kommen. Sonst hätte ich sicherlich einen anderen Termin für unseren Auftakt gewählt«, gab Gessat schmunzelnd zu.
Zum Aufgalopp war sein 25-köpfiger Kader noch nicht komplett. Auch wegen der Weltmeisterschaft: Lars Fahrenwald und Stefan Kretschmer hatten Tickets für den Dortmund-Hit und durften deshalb ausnahmsweise fehlen. Vollzählig versammelt dagegen die zehn Neuzugänge, darunter das illustre Verler Trio Mihajlo Rakic, Pierre Nguindjell und Alex Schiller. Die Qual der Wahl: Mit Nguindjell, Rakic und Dennis Kramer stehen dem SCW gleich drei starke Mittelstürmer zur Verfügung. »Wir haben bewusst die Qualität der Offensivabteilung verbessert und sind jetzt sowohl im Mittelfeld als auch im Angriff gut bestückt«, hofft SCW-Vereinschef Dr. Michael Reinker, dass sich die Investitionen auch auszahlen werden.
Jürgen Gessat steht also mit seinem nicht ganz billigen Kicker-Ensemble in der Pflicht, wenngleich der Coach die (ungeliebte) Favoritenrolle, in der die meisten Verbandsliga-Konkurrenten die Emsstädter jetzt schon sehen, strikt von sich weist. »Es hat bei uns ein erneuter Umbruch stattgefunden. Und das klappt nicht immer reibungslos«, verweist Gessat auf die verflossene Saison, in der sich das neu formierte SCW-Team lange Zeit schwer tat. Gessat ist froh, der Landesliga entronnen zu sein. »Ich sehe diese Klasse keineswegs so stark wie manche andere. Das fußballerische Niveau ist hier einfach schlecht«, freut sich der ehrgeizige Übungsleiter auf die nächste Herausforderung.
Doch Gessat weiß noch nicht, wie stark die Konkurrenz in der Verbandsliga einzuschätzen ist. »Da muss ich mich erst noch schlau machen.« Michael Reinker weiß eines schon: »Auf uns kommen zum Teil sehr weite Fahrten zu«, hat der stolze Besitzer eines schmucken Mercedes-Cabrio-Oldies (Jahrgang 1969) bereits auf die Landkarte geschaut. Es geht sogar bis an den Niederrhein: Oberliga-Absteiger SV Schermbeck wurde - nicht ganz nachvollziehbar - in die SCW-Staffel gesteckt. Und hier muss sich das hochgelobte Jahnplatz-Team auf eine gnadenlose Jagd der Rivalen einstellen. »Wir sind kein normaler Aufsteiger. Schließlich stehen in unseren Reihen etliche Akteure, die zum Teil reichlich Spielpraxis in höheren Ligen gesammelt haben«, räumt Jürgen Gessat ein. Angesichts der zahlreichen Neuverpflichtungen und des relativ üppigen Kaders wird das Gerangel um die Stammplätze heftig sein. »Der große, interne Konkurrenzdruck kann indes auch zu einem Problem werden«, meint Gessat aus Erfahrung.
So musste sich der SCW in der Winterpause von den unzufriedenen Eugen Keilbach und Murat Kaplan trennen. Keineswegs abgeschrieben haben Jürgen Gessat und sein »Co« Dirk Otten (»Als Spieler möchte ich nicht mehr ran«) zwei Pechvögel: Nach fast zweijähriger Zwangspause (Kreuzbandriss und zwei Operationen) darf Heiko Lübbert am 1. September endlich ins Mannschaftstraining einsteigen. Und Carsten Droll, dem vor vier Wochen ebenfalls das Kreuzband geflickt wurde, wird im Spätherbst sein Comeback starten.

Artikel vom 06.07.2006