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Dinge, die Rundungen haben

Doppeljubiläum: Drechsler Herbert Neuhoff und seine Firma feierten 80. Geburtstag

Rheda-Wiedenbrück (de). In die sonst eher stille Frankensteiner Straße in Rheda kamen am Wochenende mehr Besucher als üblich. Das hatte einen festlichen Grund. Im Haus Nummer 28 wurde ein Doppeljubiläum gefeiert: Der Drechsler- und Schirmmacher Herbert Neuhoff wurde 80 Jahre alt, und acht Jahrzehnte existiert jetzt auch seine Drechslerei. Sie wurde von seinem Vater Adolf 1926 gegründet.

Es gibt keinen Werktag, an dem Herbert Neuhoff nicht in seiner Werkstatt arbeitet. Unter seinen geschickten Händen entstehen an der surrenden, sich drehenden Drechselmaschine »Dinge, die Rundungen haben«. Das sind Teile für Treppenaufgänge, historische Möbelstücke, Holzspiele, Zierrat für das gemütliche Heim, Podeste, die zum Tragen von Kunstwerken bestimmt sind, Bierzapfsäulen, Schalen, Vasen, Wandschmuck, vielarmige Leuchter, Kerzenständer, Schmuckdosen, Keksbehälter.
Längst im Rentneralter, teilt sich Drechsler Neuhoff den Tag ein. Den Morgen beginnt er früh mit dem Gang, den Hund an seiner Seite, durch den nahen Hambusch. Dann setzt er sich gemeinsamá mit seiner Frau Anna an den Frühstückstisch.
Wenn kein Auftrag vorliegt, dann stellt er schöne Dinge her. Er weiß, wer seine Werkstatt oder seine Ausstellung betritt, wählt gerne eine seiner Kreationen. Meistens aber heißt es, Kundenwünsche zu erfüllen. Ein Schlossherr will das Geländer einer Treppe renovieren, die morschen Teile drechselt Neuhoff im Originalstil nach. Auch Möbelrestauratoren brauchen die Hilfe des Fachmannes. Selbst der berühmte Designer Luigi Colani ging bei ihm ein und aus. In mancher Kellerbar fließt der Gerstensaft aus einer Neuhoff-Zapfsäule. In Seniorenheim spielen rüstige Rentner intelligente Brettspiele aus dem Hause Neuhoff.
Herbert Neuhoff weiß, dass die Blütezeit der Holzdrechsler vorbei ist. Automaten und Produkte aus den Niedriglohnländern, aber auch der Untergang ganzer Möbelsparten trugen dazu. »Ich habe jedoch Aufgabennischen gefunden und gehe auf Kundenwünsche ein, weil mir die Arbeit noch immer Freude macht«, verrät der Fachmann sein Rezept des Erfolges.
Aber nicht nur der Arbeit war sein Leben gewidmet. Gereift kam er 1948 aus Kriegsgefangenschaft in Amerika und Frankreich zurück, gründete 1954 eine Familie, kümmerte mit seiner Frau liebevoll um vier eigene Kinder und noch um eine Nichte, die durch den Tod der Eltern Waise geworden war. Sein Hobby ist die Musik. Er spielte mit seinem Schifferklavier in Tanzkapellen und im Shanty-Chor Emsmöwen. Sein kerniger westfälische Humor würzt in Sketchen zusätzlich die maritimen Konzerte. Herbert Neuhoff, heute noch von athletischer Statur, gehört zu den Gründern des VFL-Rheda und war fast 40 Jahre aktiver DRK-Helfer. Den Norden Europas erkunden die Neuhoffs im Wohnwagengespann bis heute regelmäßig.

Artikel vom 06.07.2006