06.07.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Vier Flügel auf dem Liesberg

Serie im ENGERSCHEN ANZEIGER zum 250-jährigen Bestehen der Windmühle

Enger (EA). Seitdem die Menschen als Bauern leben und Getreide anbauen, stehen sie vor der Aufgabe, die harten Körner zerkleinern zu müssen. Ohne Maschinen ist das mühsam. Mühlen nahmen dem Menschen hier viel Arbeit ab - auch die Liesbergmühle gehört dazu. In einer Serie erläutert Christoph Möhrstedt, Kulturreferent der Kreisverwaltung Herford, die Geschichte der Mühlen und ihre Entwicklung bis in die Gegenwart.

Anfangs zerrieben Menschen das Korn per Hand zwischen flachen Steinen. Schon etwas besser ging es, wenn der obere Stein rund war und gedreht wurde. Irgendwann kamen sie auf die Idee, für diese Dreharbeit Ochsen oder Esel einzuspannen. Den Durchbruch schließlich schafften die Römer. Zu den bekannten runden Mahlsteinen nahmen sie Wasserräder, wie sie die Ägypter zum Schöpfen einsetzten und verbanden beides mit Hilfe eines Paars Zahnräder - fertig war die Wassermühle. Sie ist die älteste Maschine der Menschheit mit einer zweitausendjährigen Karriere.
Was aber macht man, wenn das Wasser fehlt? In Persien kamen findige Leute zuerst auf die Idee, sich den scharfen Wind zu Nutze zu machen. Das ist bald 1100 Jahre her. Ob die Kreuzfahrer das Prinzip des Windantriebs nach Europa brachten, ist möglich, aber nicht zu beweisen. Fest steht, dass um das Jahr 1180 in der Normandie eine Windmühle stand, die ihre Arbeit wohl vorbildlich verrichtet haben muss. Von dort aus verbreitete sich die Technik der Windmühle nach Flandern und England und über Deutschland nach Norden und Osten. Auf einem stabilen, hölzernen Gestell war ein Gehäuse drehbar gelagert, so dass der Müller die Mühlenflügel den wechselnden Windrichtungen nachführen konnte.
Sechs solcher »Bockwindmühlen« gibt es noch in Westfalen: Sie stehen im Bielefelder Bauernhausmuseum, im Freilichtmuseum Detmold, im Mühlenhof am Aasee in Münster und an den Originalstandorten Wehe, Oppenwehe und Neuenknick im benachbarten Mühlenkreis Minden-Lübbecke.
Die Niederlande waren im 16. Jahrhundert das Boomland Europas: Reich, mächtig und technologisch führend. Hier wurde die Windmühle quasi noch einmal erfunden. Ihr Trumpf: Nicht mehr das ganze Gehäuse, nur noch das Dach, die Kappe mit den Flügeln und der Flügelwelle musste in den Wind gedreht werden. Stabiler und vor allem größer baute man jetzt die Windmühlen und konnte statt einem drei oder vier Mahlgänge einbauen, Zusatzgeräte antreiben, Bäume zersägen oder Wasser pumpen lassen. Hundert Jahre später standen »Holländermühlen« bereits in Portugal und Schottland, rund um die Ostsee und am Kaspischen Meer. Die Engländer nahmen sie mit nach Nordamerika, Südafrika und Australien, die Portugiesen bauten sie auf den Inseln vor West-Afrika und in Brasilien, die Griechen in Bulgarien, Rumänien und der westlichen Türkei.
Auch die Preußen dachten über die Modernisierung ihres Landes nicht nur nach. Sie schritten zur Tat und bauten Windmühlen der neuesten Generation.
1756 war Enger an der Reihe. Sorgfältig und aus bestem Material gebaut, steht Engers Holländermühle seitdem auf dem Liesberg - eine europäische Maschine mit uralten Wurzeln im Orient.
Nächste Folge: Montag, 10. Juli

Artikel vom 06.07.2006