12.07.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Ein Freund der
klaren Worte
sagt »Ade«

Oberstaatsanwalt Günter Krüssmann

Von Hubertus Hartmann
Paderborn (WV). Günter Krüssmann ist ein Freund klarer Worte. Und er spricht druckreif. »In Paderborn gehen wir mit der ganzen Härte des Gesetzes gegen Internetbetrüger vor«, kommentierte er als Stimme der Paderborner Staatsanwaltschaft beispielsweise die wachsende Zahl an Computerstraftaten.

Solche und andere Krüssmann-Zitate wird man künftig nicht mehr lesen; denn der Sprecher und stellvertretende Leiter der heimischen Strafverfolgungsbehörde genießt seit einigen Tagen seinen Ruhestand. Mit Obstaatsanwalt Günter Krüssmann hat die Paderborner Justiz einen ihrer profiliertesten Vertreter verloren. Seine geschliffenen Plädoyers, oft mit unterschwelligem Humor gewürzt, werden Beobachter im Gerichtssaal vermissen.
Wenn der Jung-Pensionär auf seinem Rennrad durch die Senne strampelt, dann sieht man ihm die 65 Lebensjahre gewiss nicht an. Durch Sport hat sich Günter Krüssmann sein Leben lang fit gehalten. Schon früh entdeckte er seine Leidenschaft fürs Schwimmen und Radfahren, als Student schnürte er die Boxhandschuh, und heute schwitzt der Neuhäuser zusätzlich im Sportstudio. »Wer auch im Alter noch fit sein will, muss etwas dafür tun«, lautet seine Devise.
Auch auf seinem juristischen Fachgebiet gilt Krüssmann als topfit. Schon während des Jurastudiums in Göttingen und Münster habe für ihn festgestanden: »Ich will Staatsanwalt werden«, erzählt Krüssmann. Seinen ersten »Job« bekam er 1970 als »Hilfsbeamter des höheren Dienstes« - so etwas gab es damals tatsächlich - bei der Staatsanwaltschaft Bielefeld, erwarb sich Meriten in der Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität und wechselte 1994 nach Paderborn.
Er beackerte zunächst das Jugend- und später das Wirtschaftsdezernat. 1978 wurde Günter Krüssmann bereits zum Oberstaatsanwalt befördert und stieg fünf Jahre später zum Behörden-Vize auf. 17 Jahre bekleidete er zudem das Amt des Behördensprechers.
Sein nach eigenem Bekunden interessantester Fall war ein Kapitaldelikt, die »Sander Leiche«. Dort war 1978 eine 28-jährige Frau aus Hameln erschossen aufgefunden worden. »Einen Tag, bevor die Mordkommission aufgelöst wurde, habe ich noch einen Haftbefehl gegen den Bruder der Toten erwirkt«, erzählt Krüssmann. Obwohl die Beweislage dünn gewesen sei, habe der Haftrichter ihm vertraut. In der Haft legte der Mann tatsächlich ein Geständnis ab und saß wegen Mordes 23 Jahre im Gefängnis.
»Aber am liebsten«, sagt Krüssmann, »habe ich Wiederaufnahmeverfahren gemacht«. Vom Amtswegen hatte er vor Jahren auch das Verfahren gegen einen wegen Kindesmissbrauchs verurteilten Lehrer aus Paderborn wieder aufgerollt. Tatsächlich stellte sich heraus: Der Mann war unschuldig. »Das ist dann ein gutes Gefühl«, blickt der Strafverfolger zurück.
Was ihm in den letzten Dienstjahren Unbehagen bereitet habe, sei die »zunehmende Tendenz zu Absprachen zwischen Justiz und Verteidigern«, die so genannten »Deals« - geringe Strafe gegen Geständnis. Und die Strafprozessordnung, die es Verteidigern ermögliche, Verfahren mit immer neuen Beweisanträgen über Jahre hinzuziehen.
Aber das ist nicht mehr das Problem des Oberstaatsanwalts a.D. Der will zwar weiterhin in Düsseldorf Examensprüfungen für Nachwuchsjuristen abnehmen, sich ansonsten aber seinem Sport widmen und mit seiner Ehefrau viele Reisen unternehmen. »Ich bin eben ein von Natur aus fröhlicher und weltoffener Mensch.«

Artikel vom 12.07.2006