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Und wieder darf Giovanna jubeln

Deutsch-italienisches Ehepaar Tews ging im WM-Halbfinale getrennte Wege

Von Michael Risse
Höxter (WB). »In Italien gibt es zwei wichtige Sachen: die Familie und den Fußball«, weiß Alfred Tews aus Höxter, der seit über 30 Jahren mit einer Italienerin verheiratet ist. Seit das Paar zusammen ist, wartet er auf einen Pflichtspielsieg der deutschen Nationalelf gegen das Heimatland seiner Frau Giovanna. Beim WM-Halbfinale zwischen Deutschland und Italien hofften und zitterten beide mit ihrer Nation.

»Der bessere soll gewinnen«, hatte die 53-jährige Schwimmbadkassierin vor dem Spiel salomonisch geäußert. Italiens Sieg war auch für Ehemann Alfred aufgrund der Verlängerung unstrittig. Die Azzurri waren cleverer, haben verdient 2:0 gewonnen.
Das Spiel selbst erlebte das Ehepaar Tews am Dienstagabend an getrennten Orten. »Normalerweise gucken wir Fußballspiele zusammen, auch die italienischen. Die deutschen Partien schaue ich allerdings allein«, sagt der Sportplatzwart der Stadt Höxter. Möglichst niemand soll stören. »Fußball muss man gucken, nicht dazwischen diskutieren.«
Dabei weiß der langjährige Jugendtrainer des SV Höxter, dass seine Frau Sachverstand hat. »Es gibt keinen Italiener, der nicht alles über Fußball weiß.« Daheim in Tezze di Arzignano, einem Ort nahe Vicenza im Nordosten Italiens, hatte Giovanna - zusammen mit fünf Schwestern aufgewachsen - noch keinen direkten Kontakt zu Sportplätzen. Aber spätestens ab 1971 wurde sie vom Fußballfieber gepackt. Alfred Tews, der aus Höxter stammte, jedoch damals in München lebte, besuchte seine Eltern in der Weserstadt und lernte dort in der Diskothek Giovanna kennen.
Alfred Tews, der in seiner aktiven Zeit für die zweite Mannschaft von DJK Höxter einmal 41 Tore in einer Saison schoss, widmete sich später über 30 Jahre der Jugendarbeit und so blieb Fußball stets ein Thema im Hause Tews.
Durch ihre drei fußballerisch aktiven Söhne war Mutter Giovanna immer wieder am Rande der Sportplätze zu finden. André Tews spielte in der Regionalliga für Rot-Weiß Erfurt, tritt heute noch für Oberligist Gera hinter das Leder. Sein Zwillingsbruder David schaffte es in Bayern in die Oberliga. Christian, der jüngste, brachte als Schiedsrichter ganz neue Aspekte ein.
»Über jedes Fußballspiel können wir uns unterhalten, wunderbar über den SV Höxter, aber über Spiele zwischen Deutschland und Italien kann ich mit meiner Frau nicht reden«, bekundet der 53-Jährige, der sich das Spiel bei einem Freund in Ruhe anschaute. Giovanna Tews sah das Spiel daheim, fand es »super«, vor allem die Verlängerung: »Die deutschen Spieler waren kaputt, es fehlte die Konzentration.« Ehemann Alfred berichtete: »Die Entstehung des ersten Tores habe ich schon im Ansatz erkannt. Die Italiener sind ausgebuffter. Trainer Lippi ist ein paar Jahre weiter als Klinsmann, hat die richtige Taktik gewählt.«
Vorher hatte Alfred Tews die Befürchtung: »Bis auf vielleicht drei Spieler fallen alle Italiener beim leichtesten Windhauch um.«
Diesmal gab es wenig strittige Szenen. Das Spiel wird die Harmonie im Hause Tews nicht stören. »Seitdem wir verheiratet sind, hat Deutschland nur einmal gegen Italien gewonnen, aber das war nur ein Freundschaftsspiel in Berlin«, so Tews, der sich nun wieder einige Zeit dem Spott der italienischen Verwandtschaft ausgesetzt sieht. »Nur in Italien wird der richtige Fußball gespielt«, zitiert Alfred Tews eines der gängigen Klischees aus Sicht der Südländer und kontert: »Deren einzige Bastion ist halt der Fußball.«
Und genau in dieser Sportart bewiesen Totti, del Piero und Co. die vielgeliebte italienische Leichtigkeit. Pirlo leitete durch ein geniales Zuspiel mit der Hacke das 1:0 von Fabio Grosso ein. Alfred Tews muss weiter auf einen deutschen Erfolg warten.

Artikel vom 06.07.2006