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Mit 147 Tonnen durchs Nadelöhr

Während des Halbfinalspiels fuhr ein Schwertransport durch Höxter

Von Ingo Schmitz
Höxter (WB). Nahezu unbemerkt ist durch den Kreis Höxter ein mächtiger Schwertransport gerollt. Kein Wunder: Fußball-Deutschland schaute Fernsehen, als sich die Lastwagen in Bewegung setzten. Das WESTFALEN-BLATT war dabei.

Dienstagabend, 21 Uhr. Als in Dortmund das Halbfinalspiel Deutschland-Italien angepfiffen wird, sind die Straßen im Kreis Höxter wie leergefegt. In der Lüchtringer Straße in Holzminden herrscht jedoch rege Betriebsamkeit. Hier wird ein Baum abgesägt und Schilder demontiert. In das Blaulicht von vier Polizeifahrzeugen mischt sich das Orange der blinkenden Warnleuchten, die an den Transportern angebracht sind.
Große Dinge kündigen sich an: In dieser Nacht werden zwei Lastwagen zwei riesige Gastanks von Holzminden nach Kassel bringen. Die Maße der Fracht sind beeindruckend. Der größere der beiden Transporter ist 61 Meter lang, 4,20 Meter breit, 4,30 Meter hoch und 147 Tonnen schwer. Das Problem: Auf der Strecke nach Warburg zur A 44 gibt es einige Engstellen zu überwinden. Die schwierigsten Hürden müssen gleich zu Beginn überwunden werden, wissen die Polizeibeamten des Verkehrsdienstes der Kreispolizeibehörde Höxter. »Spannend wird es an den Kreuzungen und im Brenkhäuser Kreisel. Der Rest der Straßen ist gut ausgebaut«, meint Hauptkommissar Wolfgang Pollig, der als Einsatzleiter mit drei weiteren Kollegen den Transport begleitet.
Langsam schieben die Lastwagen ihre Fracht von dem Betriebsgelände auf die Lüchtringer Straße. Die muss für die Aktion voll gesperrt werden. Dennoch wird es plötzlich eng: Ein Andreaskreuz steht im Weg. Flugs eilen Ralf Schulze und Andreas Nitsch herbei. Das Duo von der Firma RSV-Verkehrstechnik ist während des Transports für die Schilder und Ampeln zuständig. Sie biegen das Kreuz einfach um. Der Weg ist frei. Dennoch muss Lastwagenfahrer Jürgen Heinicke Millimeterarbeit leisten. Unterstützt wird er dabei von Matthias Kirschner, der am Ende des 14-Achsen-Zuges ein weiteres Triebwerk mit einer Fernsteuerung lenkt.
Als die Klinsmann-Elf eine erste Torchance hat, stehen die beiden Lastwagen nun endlich zur Abfahrt bereit. Nächstes Augenmerk wird auf die Weserbrücke gerichtet. Wegen ihres hohen Gewichts müssen die Lastwagen über die Mitte der Brücke rollen. Die Polizei sperrt die Fahrbahn komplett, dann geht es weiter zur Kreuzung B 64. Langsam rollt der Lastzug nach links über die Verkehrsinseln -Êknapp vorbei an den Ampeln. Die wenigen Autofahrer, die zu dieser Zeit unterwegs sind, schauen neugierig zu, während sie ihrem Radio lauschen. Noch immer steht es in Dortmund 0:0.
Das nächste Nadelöhr lässt nicht lange auf sich warten. Die Lastwagen müssen in Höxter nach rechts auf die B 239 (Brenkhäuser Straße) einbiegen. Einige Schaulustige treten während der Halbzeitpause staunend vor die Haustür. »Gerda, da kommt ein riesiger Pott«, ruft eine Frau. Schon versammeln sich weitere Interessierte auf der Treppe. Sie alle werden Zeugen, wie der 56-jährige Fahrer in aller Seelenruhe seinen Lastzug über den Gehweg haarscharf an den Häusern vorbeizirkelt. Den Bewohnern stockt der Atem. Doch auch diese Herausforderung wird problemlos gemeistert, ohne dass etwas beschädigt wird. Die nächste Hürde ist der Brenkhäuser Kreisel. Hier klappt ebenfalls alles wie am Schnürchen. Weiter geht es in der zweiten Halbzeit ohne Zwischenfälle zur Ostwestfalenstraße und dann nach Warburg. Um kurz nach 1 Uhr -Êviele Fans haben die Niederlage der Deutschen inzwischen halbwegs verdaut -Êist das Etappenziel Warburg erreicht. Hier übernimmt die Autobahnpolizei die Begleitung der Lastwagen, die weiter gen Kassel rollen. In der Nacht zu heute läuft die letzte Etappe. Die Ankunft in dem etwa 400 Kilometer entfernten Zeitz (Sachsen-Anhalt) ist für 4 Uhr geplant.

Artikel vom 06.07.2006