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Herrenhaus und Bürgersinn

Dr. Martin Büchner setzt sich für das Werburg-Ensemble ein

Spenge (SN). Der Sport- und Kulturausschuss hat sich am 20. Juni von der Restaurierung des Torhauses überzeugt. »Der Stadt ist zu gratulieren, dass die Werburg Basis eines touristisch attraktiven Kultur- und Begegnungszentrum werden kann, wofür sich die Mehrheit des Rates bisher ausgesprochen und durch Beschlüsse entsprechende Maßnahmen ermöglicht hat«, urteilt Dr. Martin Büchner. Doch nicht nur das Torhaus, auch das Herrenhaus verlagt Aufmerksamkeit. Wie eine Sanierung erfolgreich verlaufen kann, skizziert Büchner am Beispiel seines Elterhauses in Südthüringen.
»Ein mit reichem Zierat versehenes Holzfachwerk-Haus, im hennebergisch-fränkischen Stil errichtet, hat ein gleiches Alter wie das Werburger Torhaus«, beschreibt er. »Im Jahre 1596 wurden Stilelemente der Renaissance zur Geltung gebracht. Das Büchnersche Haus war an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert sehr baufällig geworden. Der Hofbaurat des Herzogtums Sachsen-Meiningen schlug einen Totalabriss vor, um im damaligen Wohn- und Gewerbezentrum der Residenzstadt ein Gebäude - nüchtern, sachlich und mit Ýanständiger RenditeÜ errichten zu können. Der sehr kunstsinnige Herzog schrieb aber als Repräsentant der obersten Bauordnungsbehörde an den Rand des Bauantrages: ÝUnsinn, Gebäude muß erhalten bleiben!Ü Er übergab das Projekt an den nachgeordneten städtischen Oberbaurat. Dieser schlug eine minutiöse Restaurierung vor. Wie die Finanzierung ablief, kann man nur ahnen. Vor dem Ersten Weltkrieg hatte sich durch jahrzehntelangen Gewerbefleiß im Bürgertum ein ansehnliches Vermögen angesammelt, so dass Sanierungsmaßnahmen an Grundstück und Gebäuden leichter möglich waren als in der Gegenwart. Privatinitiative hat auch in der Mangelwirtschaft des Zweiten Weltkrieges und der vom DDR-Regime geprägten Nachkriegszeit das Haus vor Schäden bewahrt, ja sogar im Jahre 1974 eine weitere Sanierung ermöglicht. Heute ist das Büchnersche Haus im idyllischen Hinterhof eine touristische Attraktion der Kulturstadt Meiningen. Vor dem Dreißigjährigen Krieg blühte dort die Barchentweberei, im Jahre 1623 befand sich auf dem Grundstück eine Bäckerei, wie Brezelverzierungen mit Jahreszahl auf einem prachtvollen Kachelofen verkünden. Heute ist vieles anders. Ahnte der Herzog, dass an der nächsten Jahrhundertwende Handel und Gewerbe im Kern seiner Residenzstadt unter einer argen Krise leiden? Das Einkaufen geschieht draußen in den Zentren der Supermärkte und die Bürger Wohnen wohnen ebenso vor den Toren der Stadt in den Einfamilienhäusern oder Reihenhaussiedlungen.
Wo früher Landesfürst und Besitzbürgertum Entscheidungen fällten, muss heute im demokratischen Miteinander gehandelt werden. So auch beim Werburg-Ensemble und insbesondere beim baufällig gewordenen Herrenhaus. Dem Werburg-Verein und seinem Vorsitzenden Dr. Werner Best mit Vorstandsmitgliedern ist Lob und Anerkennung zu zollen für den bisherigen Einsatz, den beteiligten Vereinen ebenso. Konstruktive Phantasie bei den weiteren Sanierungsarbeiten ist gefordert. Für positive Finanzierungsmodelle gibt es genügend Beispiele in der Republik. Das Schicksal der Ellerburg bei Espelkamp darf sich am Werburger Herrenhaus nicht wiederholen, dort hat eine unsinnige Grundwasserabsenkung den Pfahlrost im Baugrund vernichtet und den Verfall der Gebäude beschleunigt.«

Artikel vom 05.07.2006