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Gütersloh durch die Camera obscura

Fotograf Hermann Pautsch stellt seine Eisenblaudrucke bei »art colori« aus

Von Johannes Zoller
Gütersloh (WB). Wie eine Neuentdeckung aus alten Zeiten wirken die Cyanotypien des seit vielen Jahren mit der Fotografie sich befassenden Hermann Pautsch. Eine Auswahl von 35 seiner im faszinierenden Preußisch Blau entwickelten und mit der unter dem Namen Lochkamera bekannten Camera obscura aufgenommenen Eisenblaudrucke sind zurzeit in den Räumen der Künstlergruppe »art colori« zu bewundern.

Schon in früheren Jahren machte der 1950 in Gütersloh geborene Hermann Pautsch mit seinen stimmungsvollen Fotografien aus Weltstädten und fernen Ländern von sich reden. Seine Fotobände »New York« (1992) und »Metro« mit speziellen Impressionen aus der Pariser Unterwelt (1987) oder über Indien (1983) und Kreta (1981) resultierten immer wieder aus jener anderen Art des Schauens, welche Dingliches und Menschliches in ihrer Vielschichtigkeit und in ihrem metaphorischen Reichtum hervorhebt. Die drei letzteren Bände sind im Bielefelder Pendragon-Verlag, Ersterer in eigener Edition erschienen.
»Warum in die Ferne schweifen? Sieh das Gute liegt so nah!«, mag sich der ehemals bei Bertelsmann zum Industriekaufmann und Offsetdrucker ausgebildete Pautsch gesagt haben, der sich seit acht Jahren mit den im Laufe des vergangenen Jahrhunderts fast völlig in Vergessenheit geratenen Verfahren der Cyanotypie und Camera obscura in origineller Weise den Motiven seiner Geburtsstadt zugewandt hat. Hat der Araber Alhazen bereits um 980 erste Versuche mit einer Lochkamera angestellt und gingen die späteren Entwicklungen auf Forschungen von großen Geistern wie Leonardo da Vinci oder Roger Bacon zurück, konnte sich Pautsch während der Entwicklung seiner Apparate in eine durchaus inspirierende, über viele Jahrhunderte währende Tradition einreihen.
Nicht zuletzt konnte er auch von seiner langjährigen Erfahrung in der ihm eigenen Gütersloher Druckerei profitieren, wobei er mit dem »Intercôte Karton« mit Sicherheit den Besten für seine Cyanotypien ausgesucht hat. »Hier dringt die blaue Farbschicht nicht zu tief oder gepuffert und auch nicht absumpfend in dem als eines der ältesten monochromen Fototechniken bekannten Verfahren in den Karton ein«, berichtet er stolz.
Dass die Entdeckung des Verfahrens der Cyanotypie auf den Naturwissenschaftler Sir John Herschel zurückging, war Pautsch ebenso wie das mit 1842 datierte Erfindungsjahr geläufig. Es ist bemerkenswert, dass Pautsch einerseits in seinen Motivfindungen, nachdem er viel von der Welt gesehen hatte, auf seine Heimatstadt zurückkam. Andererseits machte er sich die Ergebnisse von Jahrhunderte alten Forschungen zu Eigen und schuf sich seine eigene Disziplin mit einer Kunstform, die aus ferner Vergangenheit kommt, jedoch ganz mit der Gegenwart, mit Augenblicken und Momenten agiert. Mehr noch: Er ließ in seinen Bildern Zeit und Raum im Hier und Jetzt verschmelzen. Sowohl aus einem zwölf Fächer enthaltenden Schraubenkasten und aus einer flachen wie einer hohen Keksdose als auch aus einer voluminösen, selbst gebauten Kiste konstruierte Dunkelkammern mit eingelegten Filmen verhalfen dem außerordentlich intuitiv ans Werk gehenden Pautsch zu fast schon surrealistischen Aufnahmen. Hierfür postierte er sich mit seiner Camera obscura vor dem Rathaus, dem Wasserturm, vor Litfaßsäulen und Plakatwänden, dem Theater oder der Volkshochschule. »Es geht mir in meinen Prints von bekannten Gebäuden nicht nur um den Effekt des Wiedererkennens. Das Spiel mit Wirklichkeiten wie dem Zeitphänomen spiegelt sich in meinen Cyanotypien wieder, da ich die Belichtungszeit in Entsprechung zur Intensität der Sonneneinstrahlung bestimme. An einem sonnigen Tag öffne ich das als Weitwinkelobjektiv dienende Loch mit weniger als einem Millimeter Durchmesser vielleicht nur 15 Sekunden, während ich es bei Bewölkung erst nach einigen Minuten wieder lichtundurchlässig verschließe.« Hierbei prägten sich Wolkenbewegungen und andere in der Zeit stattfindende Nuancenverschiebungen neben der räumlichen Statik von Gebäuden in Pautschs beeindruckende Unikate mit ein.
Heute findet ab 19 Uhr eine Vernissage bei »art colori in der Feldstrasse« 19 statt. Die Ausstellung ist bis Donnerstag, 20. Juli, an Donnerstagen von 17 bis 19.30 Uhr und an Samstagen von 11 bis 14.30 Uhr geöffnet.

Artikel vom 04.07.2006