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Portugals WM-Team
reist Morgen ab

Abruptes Ende in der Marienfelder Klosterpforte

Gütersloh (wow/cb/GG). Die portugiesische Fußballnationalmannschaft verlässt Morgen ihr Quartier im Hotel »Klosterpforte«. Entgegen der Ankündigung von Trainer Felipe Scolari wird die Mannschaft nun doch nicht bis zum letzten WM-Spiel hier wohnen bleiben.

Für Marienfeld ist das ein seltsamer und abrupter Abschied. Denn auf der höchsten Welle des Erfolges kehrt Portugal seinem WM-Quartier plötzlich den Rücken. Gewinnen Figo & Co. die Partie gegen die Franzosen, fliegen sie gleich zum Endspiel nach Berlin. Verlieren sie, dann reisen sie per Bus nach Stuttgart, wo dann am Samstag das Spiel um Platz drei stattfindet. Ein kleiner Hoffnungsschimmer bleibt, dass Portugal doch noch einmal nach Marienfeld zurückkehrt. Coach Scolari hatte in einem Interview angekündigt: »Wenn wir Weltmeister werden, dann feiern wir drei Tage lang im Ostwestfälischen.«
Das Abschiedsbild, das ihnen Gütersloh bietet, ist grenzenloser Jubel. Gut 800 Fußball-Fans feierten am Samstag in Spexard frenetisch den WM-Halbfinaleinzug der portugiesischen Nationalmannschaft. Eine wahre Hitzeschlacht: Bei 45 Grad durchlebten die Besucher im Festzelt der portugiesischen Vereinigung Gütersloh an der Worth Himmel und Hölle, ehe Cristiano Ronaldo im Elfer-Drama mit seinem 3:1 für den kollektiven rot-grünen Gefühlsausbruch sorgte.
Es ist 19.42 Uhr. Ohrenbetäubender Jubel, der Holzboden im Zelt bebt bedrohlich: Trommler Julio Romano (48) lässt die zuvor arg strapazierte Pauke fallen, die eben noch in Tränen aufgelöste Paula Pineiro drückt Polizist Andreas Isenbort (43) einen Kuss auf die Wange, schwitzende Männer liegen sich weinend in den Armen und feiern ihre Portugiesen. Einfach irre, die Iberer! »Meine Nerven sind zum Zerreißen gespannt«, gibt Fernando Aranjo (40) aus Bergkamen zu. Der Mann mit der auffälligsten Kostümierung, einer aufblasbaren Fußballkugel, hat extra den Portugal-Urlaub verschoben, um nebst Familie in Spexard beim »Portugiesischen Public Viewing« dabei zu sein. Die »dritte Halbzeit« gibtÕs beim Autokorso, der die Portugiesen zum englischen Flughafen nach Marienfeld führt. »Wir wollten die Briten ein wenig ärgern, schließlich haben sie unserer Elf in der Nacht vor dem Halbfinale mit Hubschrauber-Manövern versucht, den Schlaf zu rauben«, erklärt Artur Rodrigues (49), Vorsitzender der portugiesischen Vereinigung. Etwa 600 Fans bereiten ihren »Helden« bei der Rückkehr zur »Klosterpforte« in Marienfeld in der Nacht noch einen freudigen Empfang. Einfach portugalaktisch!
Ein ganz anderes Bild boten die auf dem Rathausplatz versammelten englischen Fußballfans. Sie hatten gehofft, gebangt und gezittert. Jedes Elfmetertor wurde gefeiert, doch zuletzt machte sich bei den englischen Fans nur noch Traurigkeit breit. Vereinzelt flossen sogar Tränen. Ungehemmt zeigten etliche Fans der englischen Nationalmannschaft ihre Gefühle. Fassungslos sahen sie auf der rund 40 Quadratmeter großen Großbildleinwand zu, wie die Portugiesen ihr Weiterkommen feierten »Das ist alles eine riesige Katastrophe für uns und unser Land. Wir sind so maßlos betroffen, denn wir rechneten fest damit, dass wir gewinnen«, erklärten Jason Farline und seine Freunde, die ihre englische Flagge von den Schultern genommen und zu Boden geworfen hatten. Der herrlich sommerliche Samstag war einfach kein Glückstag für die englischen Fans, die sich teilweise bunt und schrill verkleidet hatten, um ihre leidenschaftliche Fußballbegeisterung zu demonstrieren. Sie mussten nicht nur eine 120 Minuten lange, torlos gebliebenen Partie ansehen, sondern schauten auch zu, als Stürmerstar Wayne Rooney inÊ der 62. Minute die Rote Karte sah.Ê»Das darf ja wohl alles nicht wahr sein. Ich kann derzeit nichts mehr sagen, ich bin einfach nur unglücklich«, sagte ein Fan.

Artikel vom 03.07.2006