30.06.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Riquelme entscheidet das Spiel«

Argentinische Physiotherapeutin Claudia Mazzanti arbeitet am Herz- und Diabeteszentrum

Von Claus Brand (Text und Foto)
Bad Oeynhausen (WB). »Unsere Abwehr wird das schon machen. Und wir haben die besseren Einzelspieler!« Claudia Mazzanti ist voller Optimismus, dass Argentinien heute das Viertelfinal-Spiel gegen die deutsche Elf gewinnt. »Zu 70 Prozent kommen wir weiter.« Der 38-Jährigen, in Buenos Aires geboren, machen nur zwei deutsche Spieler Sorgen: »Lukas Podolski und Miroslav Klose. Die sind wirklich sehr gut und machen auch José Pekermann, unserem Trainer, Sorgen«, sagt die Physiotherapeutin, die seit rund eineinhalb Jahren am Herz- und Diabeteszentrum arbeitet.

Der Liebe wegen ist sie nach Deutschland gekommen, 2002. Mit ihrem gleichaltrigen Mann lebt sie im Herforder Norden und wird sich die Partie heute nach Dienstschluss im Fernsehen anschauen. »Ich drücke meiner Elf die Daumen, mein Mann den Deutschen. Wir schauen das erste Mal gemeinsam ein Spiel beider Mannschaften gegeneinander«, sagt sie. »Aber ich bin viel verrückter, was den Fußball angeht«, fügt sie schmunzelnd hinzu, dass beide mit ihrem Team fiebern werden, dabei aber auf einem Sofa sitzen.
»Als wir 2002 nach der Vorrunde raus waren, war das eine Katastrophe«, beschreibt sie, dass die Fußball-Begeisterung in ihrer südamerikanischen Heimat noch größer ist als hierzulande. Die Vorliebe für diesen Sport hat sie von ihrem Vater Americo geerbt, der im Mai 80 geworden ist und seit Jahr und Tag für den Club Independiente schwärmt. »Fußball wird in Argentinien gelebt«, sagt sie in perfektem Deutsch, das sie in einem einjährigen Intensivkursus an einer Bielefelder Sprachschule gelernt hat. Sie freut es, dass die WM in Deutschland von den Menschen so viel beachtet und gefeiert wird. »Ich habe das Spiel Argentinien gegen Elfenbeinküste in Hamburg auf Großbildleinwand gesehen. Ein unvergleichliches Erlebnis mit einer fantastischen Stimmung.« Eine weitere Fußballreise hat sie fest geplant: »Am Sonntag, 9. Juli, wollen wir auf jeden Fall zur Fan-Meile in Berlin, um Argentinien im Endspiel anzufeuern«, lässt sie keinen Zweifel aufkommen, dass Riquelme, Saviola, Crespo und Co. dafür mit einem Sieg gegen Deutschland die Weichen stellen werden. Dass dies nicht ganz einfach wird, räumt sie ein: »Nach der Verlängerung wird es 0:0 stehen. Riquelme wird den entscheidenden Elfmeter verwandeln«, wagt sie eine klare Aussage zum Ablauf der Partie.
Sie wünscht sich, dass der Trainer den Jungstar Messi, »wenn er wirklich fit ist«, gleich von Beginn an spielen lässt. Ihre Siegesgewissheit schließt sie auch aus einem anderem Umstand: »Wir hatten bislang wirklich die schwierigeren Gegner.« Das schönste Spiel der Argentinier sei die Auftaktpartie gegen die Elfenbeinküste gewesen. Beim Spiel gegen Mexiko habe sie am meisten gezittert: »Als die 1:0 in Führung gegangen sind, habe ich nur gedacht: Das kann doch wohl nicht wahr sein.«
Und heute Nachmittag wird sie es halten, so wie bislang bei jedem Spiel ihrer Mannschaft: Das Trikot Argentiniens streift sie nur über, während das Spiel läuft - quasi ein ungeschriebenes Gesetz.
Und für den Fall, dass Deutschland doch seine 30-Prozent-Chance gegen Argentinien nutzen sollte? »Dann bin ich furchtbar traurig. Aber die Welt wird wohl nicht untergehen. Dann versuchen wir es eben in vier Jahren auf ein Neues, und werden dann in Südafrika Weltmeister.«

Artikel vom 30.06.2006