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Der tägliche WM-Einwurf, heute von Annemarie Bluhm-Weinhold

Diät-Häppchen à la »Zizou«


Da spielen die Spanier eine tadellose WM - und dann lassen sie sich von den Franzosen, die sich wahrlich noch nicht mit Ruhm bekleckert haben, kurz vor dem Viertelfinale einfach so ausschalten. Einfach so? Das nun nicht. Denn auf Messers Schneide kommt die Equipe Tricolore zu alter Stärke, und Zauberer »Zizou« gewinnt ausgerechnet in der 92. Minute seine genialen Fähigkeiten wieder. Die Grande Nation macht sich ein bayrisches Phänomen zu eigen: Der Gegner spielt gut - und am Ende gewinnt in der Bundesliga dann doch Bayern München. Das Glück ist mit dem Tüchtigen! Das ist gemein. Aber ist das wirklich so?
Was haben Zidane & Co. bisher geleistet? Drei-Sterne-»Rumpelfußball« à la Allemagne hat die Grande Nation als Vorspeise geboten, Diät-Häppchen mit fadem Beigeschmack angesichts früherer Minimalleistungen aufgetischt. Mit minimaler Kraft haben die Franzosen das größtmögliche Ziel erreicht: das Viertelfinale. Wenn das nicht effektiv istÉ
Schön anzusehen war es jedenfalls nicht. Man kann den Spaniern nur Beileid aussprechen. Der französische Weltmeister von 1998 macht sich ausgerechnet eine Weisheit eines dreimaligen deutschen Vorgängers zu eigen: Das Runde muss ins Eckige. Egal wie. Eine B-Note gibt es im Fußball nun einmal nicht, entscheidend ist, was hinten rauskommt. Mit Schönheit lassen sich keine Punkte - und erst recht kein Achtelfinale - gewinnen. Warum also Kraft verschwenden?
Viertelfinale gegen Brasilien. Zidane gegen Ronaldo? Ein dicker Brocken. Aber vielleicht doch verdaulich? Halbfinale dann gegen Portugal? Oder England? Kein Problem, sollte man meinen. Und am Ende holt Frankreich die Trophäe? Nein! Da sind 80 Millionen Deutsche vor. Schließlich hat da noch die Nation als zwölfter Mann in den heimischen WM-Arenen ein Wörtchen mitzurden und ist bekanntlich der Meinung: »Wir werden Weltmeister«. Es gibt schließlich noch eine zweite deutsche Tugend, gerne von englischer Seite eingeworfen, die nicht nur Freitag gegen Argentinien, sondern später gegen die brasilianische Selecao (hoffentlich!) ebenso wirksam wäre wie gegen eine unerwartet wehrhafte Equipe francaise: Ein Spiel dauert 90 Minuten (plus »additional time«) und am Ende gewinnen die Deutschen. Punkten in der Nachspielzeit: Was Zidane kann, das kann Neuville schon langeÉ

Artikel vom 29.06.2006