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MZG will mit Radikalkur
das Überleben sichern

Alle Verlustbringer sollen geschlossen werden

Von Karl Pickhardt (Text und Foto)
Bad Lippspringe (WV). Mit einer Radikalkur will das Medizinische Zentrum für Gesundheit (MZG) in Bad Lippspringe eine offenbar drohende Pleite abwenden. Das mit 22 Millionen Euro hoch verschuldete Unternehmen (750 Mitarbeiter) plant die Schließung aller Kliniken und Reha-Einrichtungen, die keine Gewinne erwirtschaften. Das kommunale Heilbad steht im Überlebenskampf vor der größten Strukturveränderung seiner Geschichte.

Landrat Manfred Müller und Bürgermeister Willi Schmidt kündigten am Freitag zusammen mit den beiden MZG-Geschäftsführern Wolfgang Jitschin und Professor Volker Graf in einer eiligst einberufenen Pressekonferenz einschneidende Maßnahmen zum 1. Januar 2007 an. Sämtliche Reha- und Klinikeinrichtungen werden künftig als eigenständige Gesellschaften geführt. Wer keinen Gewinn erwirtschaftet, wird aufgegeben. Gesunde Einrichtungen wie die Karl-Hansen-Klinik (Lungenheilkunde), die Klinik am Park (Suchtbereich) oder die Cecilienklinik (Onkologie) sollen nicht länger Sorgenkinder wie die Auguste-Viktoria-Klinik, die Klinik Martinusquelle oder die Teutoburger-Wald-Klinik mitfinanzieren. »Das muss und wird ein Ende haben«, sagte Volker Graf.
Der Rehabilitationsbereich hat in den vergangenen fünf Jahren nach Angaben der MZG-Führung ein Defizit von zehn Millionen Euro eingefahren. Die finanzstarken Bereiche des MZG hätten nicht mehr die Kraft, Verlustbringer aufzufangen. Trotz eines Jahresumsatzes von etwa 40 Millionen Euro schreibe das MZG Jahr für Jahr Verluste. Der Reha-Bereich fresse alle Gewinne auf. So bleibe keine Luft mehr für Investitionen, die für ein Überleben und die Wettbewerbsfähigkeit dringend notwendig seien. Die Geschäftsführung bezifferte den Investitionsstau auf zehn Millionen Euro. Für Investitionen sei aber kein Cent da, solange an Verlustbringern festgehalten werde. »Wenn nichts passiert, erreichen wir das Jahr 2008 nicht mehr«, fürchtet Graf ohne Strukturveränderungen eine Insolvenz spätestens im nächsten Jahr.
Der Beschäftigungssicherungsvertrag, der den 750 Mitarbeitern bei weitgehendem Verzicht auf Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie mit Lohneinbußen bis 2008 Kündigungsschutz bietet, sieht die MZG-Führung ebenfalls als unternehmensgefährdend an. MZG-Geschäftsführer Graf erwartet von Betriebsrat und Gewerkschaften zur Rettung des Unternehmens daher weitere Zugeständnisse und kein Festhalten an diesem Tarifvertrag. Jetzt räche sich auch, dass vor einigen Jahren bei Massenentlassungen überwiegend jüngere Mitarbeiter hätten gehen müssen. »70 Prozent unserer Mitarbeiter sind zwischen 40 und 60 Jahren alt«, beklagt Graf hohe Personalkosten.
Die Stadt Bad Lippspringe und der Kreis Paderborn, die mit 84 und 16 Prozent Gesellschafter des MZG sind, haben vor einigen Jahren 3,2 Millionen Euro Darlehen zins- und tilgungsfrei zur Verfügung gestellt, um das MZG über Wasser zu halten. Bürgermeister Willi Schmidt und Landrat Manfred Müller wollen sich nur dann für einen Darlehensverzicht in ihren Gremien einsetzen, wenn das MZG ein Überlebens-Konzept vorlegen. Dazu gehöre auch, dass Kreis und Stadt in einer Besitzgesellschaft sämtliche Immobilien übernehmen und das MZG als Betriebsgesellschaft Pacht für die Nutzung der Gebäude zahle. Diese Pacht soll Zins- und Tilgungsleistungen der belasteten Immobilien decken.
Der siebenköpfige Aufsichtsrat, dem auch die Gewerkschaft mit einem Sitz angehört, hat nach Angaben von Bürgermeister und MZG-Aufsichtsratsvorsitzendem Willi Schmidt einstimmig grünes Licht gegeben, Änderungen in der MZG-Struktur einzuleiten. Danach überleben nur noch kostendeckende Einrichtungen.

Artikel vom 24.06.2006