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Erinnern und aussöhnen

Dokumentationsstätte Stalag 326 besteht seit zehn Jahren

Schloß Holte-Stukenbrock (ms). Bemühungen, eine Gedenkstätte in Stukenbrock-Senne einzurichten, waren lange erfolglos. Erst als die Gattin des Präsidenten der damaligen Sowjetunion, Raissa Gorbatschowa, Kanzlergattin Hannelore Kohl und Christina Rau, Frau des damaligen NRW-Ministerpräsidenten, den sowjetischen Ehrenfriedhof 1989 besucht haben, hat sich auch die Einstellung der Bürger zu einer Dokumentationsstätte Stalag geändert. Vor zehn Jahren wurde die Dokumentationsstätte nach beharrlicher Arbeit von Werner Busch eröffnet.

Das zehnjährige Bestehen feierte am Mittwoch ein kleiner Kreis auf dem Gelände des Polizeiausbildungsinstituts Erich Klausener. Stellvertretender Landrat Dieter Mersmann stellte fest, dass die Dokumentationsstätte zu einer wichtigen Einrichtung geworden ist. 4000 Besucher jährlich besuchen die Ausstellung im ehemaligen Arrestgebäude des Kriegsgefangenenlagers. Zum 60. Jahrestag der Befreiung des Lagers vergangenes Jahr habe eine Schlagzeile gelautet: Wir müssen neue Brücken bauen. »Ja, das müssen wir. Wir alle wissen, dass die Dokumentationsstätte nicht immer und nicht von vornherein die Anerkennung gefunden hat, die sie heute erfährt.« Dieter Mersmann würdigte vor allem die unermüdliche Arbeit von Werner Busch, der 1988 mit der Aufarbeitung der Geschichte des Lagers begonnen habe. »Sie wollen die Erinnerung wach halten und besonders junge Menschen zum Nachdenken anregen. Dabei ist Ihnen, Herr Busch, die Achtung auch derer sicher, die Ihrer Arbeit anfangs durchaus kritisch gegenüber standen. Das liegt sicherlich daran, dass Ihnen Übertreibung und politische Polarisierung fremd sind.« Für seine selbstlosen Aktivitäten hat der Kreis Gütersloh 2001 dem Förderverein und dessen Vorsitzenden Werner Busch den Preis für Zivilcourage zugesprochen. Dieses Jahr hat der Bundespräsident Werner Busch mit dem Bundesverdienstorden ausgezeichnet.
Busch ist gerade zurück von einer internationalen Tagung in Kiew zum Thema Kriegsgefangenschaft. Er hat 87 Personalakten mitgenommen und an Angehörige der auf dem Ehrenfriedhof begrabenen Menschen überreicht. Ehemalige Kriegsteilnehmer ständen sich heute freundschaftlich gegenüber. Busch berichtete, dass Dr. Reinhard Otto jetzt mit seinem seit 1999 laufenden Projekt zur Erfassung sowjetischer und deutscher Kriegsgefangener aufhöre. Die Arbeit wird ehrenamtlich von Karin Wüsthoff, Peter Müller, Brigitte Bartz, Oliver Nickel, Kai Venohl und Peter Stolper weitergeführt.
In ökumenischer Eintracht mahnten Dechant Bernhard Hamich, Pfarrer Reinhard E. Bogdan und der griechisch-katholische Pfarrer der ukrainischen Gemeinde in Bielefeld, Myron Molczko, aus der Vergangenheit zu lernen, um die Gegenwart zu meistern und der Zukunft gewachsen zu sein. Es gehe nicht darum, aufzurechnen oder abzurechnen. Versöhnung sei ohne Erinnerung nicht möglich. Zu Gast war auch Pfarrer Wolfgang Braun, der Mitglied des Fördervereins ist. Für den SPD-Kreisverband sprach Ulla Ecks. »Dieser Ort hier hat einen Beitrag dazu geleistet, dass wir zur Fußball-Weltmeisterschaft unsere Nationalfahne zeigen können, ohne uns zu schämen oder eine Bedrohung für Fremde zu sein.« Ein Grußwort sprach auch Werner Höner vom Arbeitskreis Blumen für Stukenbrock, der sich um den sowjetischen Ehrenfriedhof kümmert. Verhindert war der Gastredner von der Stiftung Sächsische Gedenkstätten. Statt dessen sprach Ulrich Appelt, Geschäftsführer des Volksbundes deutsche Kriegsgräberfürsorge. Seit 1990 seien eine halbe Million Deutsche geborgen worden, die in Stalingrad, St. Petersburg und Rshew gefallen waren.

Artikel vom 23.06.2006