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Brücken bauen
zwischen Kulturen

Ehepaar Iggers zu Gast in Herford

Herford (wst). Mit Wilma und Georg Iggers kamen jetzt in Herford zwei Zeitzeugen zu Wort, die ihr Leben dem Einsatz für eine gerechtere Welt widmen. In ihrer jüdischen Kindheit durch den nationalsozialistischen Rassenwahn bedroht, wurden sie in den Vereinigten Staaten von Amerika Zeugen des Rassismus gegenüber dem schwarzen Bevölkerungsteil und schlossen sich der Bürgerrechtsbewegung an.

Heute reisen sie durch die Welt und bauen Brücken zwischen den Kulturen und Religionen. Am Mittwochabend war das Ehepaar Gast des Vereins zur Förderung von interkultureller Verständigung »Brücken Bauen« und stellte im Zellentrakt im Rathaus ihren Zuhörern ihr Leben und ihre Erfahrungen vor.
Der wenige Wochen vor der Reichspogromnacht von Hamburg nach Amerika emigrierte Georg Iggers sowie seine spätere Frau Wilma, die ihre Heimat Böhmen kurz vor dem Einmarsch der Deutschen verlassen und mit ihrer Familie nach Kanada ausgewandert war, hatten die schlimmsten Gräuel der Judenverfolgung in Nazi-Deutschland nicht mehr am eigenen Leib erfahren. Von der Universität von Chicago, wo sie sich kennen lernen sollten, ging das junge Ehepaar nach Little Rock in Arkansas.
»Dort lebten wir in einem schwarzen Viertel und arbeiteten an einem schwarzen College. Wir waren dort vollkommen akzeptiert«, erinnert sich Georg Iggers. Dort fanden sie auch den Weg zur Bürgerrechtsbewegung und gehörten damit zu den ersten Weißen, die sich in der Bewegung engagierten. Für Immigranten war ihr Engagement eher untypisch, denn entgegen der in den USA weit verbreiteten Vorstellung, Immigranten seien in der Regel liberal und engagiert, zogen es die meisten vor, unpolitisch zu bleiben, oder die Vorurteile der Amerikaner zu übernehmen, wie Wilma und Georg Iggers erfahren mussten.
Wenig Verständnis zeigten sie gegenüber dem weißen Establishment, dass ihrer Meinung nach lange Zeit auch vor der Judenvernichtung die Augen verschloss. Erst 1945 seien die Konzentrationslager ein Thema in der Presse gewesen, aber die Vernichtung der Juden wäre auch dann noch ausgelassen worden, so Georg Iggers: »Es ist eine große Schande, wie der Genozid in den USA und anderswo damals verschwiegen wurde.« Heute sei der Holocaust regelmäßig Unterrichtsthema.

Artikel vom 23.06.2006