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Ein Hauptdarsteller auf Zeit

Die Adlerwarte haben stolzen Schützenadler stets im Blick

Von Oliver Horst
Versmold (WB). Der Adler gehört zum Schützenverein wie die Butter aufs Brot. Ein Schützenfest ohne den hölzernen Hauptdarsteller auf der Stange, der nach zähem Kampf mit dem finalen Schuss zu Boden sackt, ist undenkbar. Entsprechend liebevoll widmen sich die Verantwortlichen der »Zucht« und Pflege des Adlers.

In Handarbeit entstehen beim Versmolder Schützenverein die hölzernen Hauptdarsteller, werden die Adler zu jedem Königsschießen neu angefertigt. In diesem Jahr führte Marc Mittendorf nur für ein Exemplar die Tischlerarbeiten aus, schließlich wurde am vergangenen Sonntag einzig die Bierkönigswürde ausgeschossen. König und Kronprinz regieren im Gegensatz zum Bierkönig nicht nur für ein Jahr, sondern zwei Jahre lang das Schützenvolk.
Drei, vier Stunden Arbeit stecken in jedem Federvieh. Mit Hilfe einer Schablone werden die einzelnen Teile gefertigt: Flügel, Rumpf, Krone, Zepter, Apfel und Krallen -Êgut verleimt machte sich der Adler auf den Weg zu Hans-Joachim Moch. Seit einigen Jahren sorgt der Schießwart für das passende »Federkleid«. Fürs Bierkönigsschießen erhielt der Adler -Êder stattliche Maße mit einer Spannweite von fast einem Meter aufweist -Ênicht nur schwarze und weiße Federn. Rote Signalfarbe bringt Krone, Zepter und Apfel zum Leuchten. »So können die Schützen aus 50 Metern Entfernung den Übergang zu den Insignien besser erkennen«, erklärt Hans-Joachim Moch.
Um den Zustand des Adlers kümmert er sich während des Schießwettbewerbs gemeinsam mit Herbert Lambrecht vom ersten bis zum letzten Schuss. Die beiden Bataillonsadlerschießwarte, zuständig für den Königs- und Bierkönigsadler, beobachten die »Trefferlage« vor allem aus der Ferne mit dem Fernglas. »Tipps geben wir den Schützen nicht. Und durchs Fernglas darf auch niemand schauen«, gelten klare Regeln. Bei welchem Schuss Insignien fallen und der Adler in die Knie geht, sei trotz der intensiven Zuwendung nie genau zu sagen, erklären die beiden. Selbst einen Schuss auf das Federvieh abzugeben, kommt für Hans-Joachim Moch und Herbert Lambrecht nicht in Frage. »Wenn ich den Adler betreue und weiß, wo er krankt, kann ich ja nicht schießen«, erklärt Lambrecht.
Anstrengend, aber auch spannend sei ihre über mehrere Stunden dauernde Aufgabe, sagen die beiden Adlerwarte. »Den Verlauf des Schießens zu verfolgen, zu beobachten, wie die Nervosität bei manchem steigt und der Kreis der Schützen kleiner wird, ist schon interessant«, sagt Herbert Lambrecht. Das Ende, sagt Hans-Joachim Moch, ereile den Adler nach langem Kampf meist zwischen Schuss Nummer 400 und 500.
Damit dem Federvieh zuvor nichts zustößt, wird er übrigens an einem sicheren Ort verwahrt, bis er seinen Platz im Schießstand einnimmt: In der Waffenkammer. Eine Regelung, die einst auftretende Komplikationen ausschließt. Herbert Lambrecht: »Früher wurde der Adler in Begleitung einer Musikkapelle vom Marktplatz aus zur Schützenhalle gebracht. Es kam schonmal vor, dass das Federvieh vergessen wurde.« So macht den Marsch heute nur noch ein herausgeputzter Schmuckadler mit, der sich anschließend nicht den Salven der Schützen erwehren muss.

Artikel vom 30.06.2006