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Der tägliche WM-Einwurf, heute von Klaus-Peter Schillig

Auch die Mütter schauen zu . . .


Ist es eine Unsitte, schlechte Erziehung, dumme Angewohnheit oder ein wirkliches Bedürfnis? Fußballer sind nahezu die einzigen Sportler, die es einfach nicht schlucken können, wenn ihnen das Wasser im Mund zusammengelaufen ist. Ob Italiener, Engländer, Togolesen oder Deutsche - in der Multikulti-Gemeinschaft der Weltmeisterschaft herrscht da seltsame Einigkeit. Fast jede Großeinstellung von Ballack, Adriano, Gattuso, Henry, Rooney oder Drogba bringt es an den Tag: Es wird gespuckt, was das Zeug hält. Obwohl sie alle wissen, dass man es eigentlich nicht tut, obwohl sie wissen, dass Millionen von Menschen an den Fernsehschirmen zuschauen.
Vor allem: Auch ihre Mütter schauen zu, die ihnen diese Unsitte sicherlich nicht beigebracht haben können und es mit Grausen sehen werden, was ihre Jungs da anstellen. »Rotzlöffel« wird es der einen oder anderen in Erinnerung an jugendliche Aufsässigkeit vielleicht über die Lippen kommen, ehe sie einen Moment später wieder in der Glückseligkeit einer Fußball-Mutter schwelgt. Solange er den Gegner bremst, die Flanken schlägt oder die Tore schießt, ist ihm der unappetitliche Ausspucker sofort wieder verziehen.
Die Unparteiischen drücken meist beide Augen zu. Geht so ein Speichel-Klumpen mal ins Auge - in das des Gegners - gibt es die rote Karte, für den Trikot-Treffer reicht die Gelbe. Geht es aber in den grünen Rasen, kommt der Übeltäter ungeschoren davon. Dabei ist es genauso unsportlich. Wie leicht kann der Gegner darauf ausrutschen. Schon in vielen Szenen dieser WM waren die unverhofften Standprobleme zu beobachten. Zum Ende des Spiels, wenn der Platz übersät ist mit den glitschigen Hinterlassenschaften der Protagonisten, müsste das Verletzungsrisiko eigentlich ins Unermessliche steigen. Aber genau da greift die Weitsicht der FIFA, hat sie doch für jedes WM-Stadion einen neuen Rasen verordnet. Mit der 90-Minuten-Aufsaug-Garantie.

Artikel vom 22.06.2006