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»Ich bleibe in Hiddenhausen verwurzelt«

Heute im Gespräch: Christian Meinhold, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Gemeinderat

Hiddenhausen-Lippinghausen (HK). Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Gemeinderat, Christian Meinhold, wird heute verabschiedet. Er gehörte dem Rat 22 Jahre an und war Mitbegründer der Grünen. Nun wird er in Berlin wieder künstlerisch arbeiten. »Ich bleibe aber in Hiddenhausen verwurzelt«, sagt er im Gespräch mit dem HERFORDER KREISBLATT. Die Fragen stellte unser Redaktionsmitglied Gerold Brinkmann.

22 Jahre waren Sie im Gemeinderat aktiv: Kann man das heute politisch unbefangenen Bürgern noch zumuten?
Christian Meinhold: »Politisch unbefangene Bürger« zeichnen sich viel häufiger durch Kreativität aus, sind im Stande, auch unausgetretene Wege zu beschreiten. Von den anderen, den »politisch Befangenen« sitzen - wie ich finde - zu viele in Räten und Parlamenten. Deshalb möchte ich besonders die ermuntern, sich zu engagieren, die parteipolitisch nicht befangen sind. Es müssen ja nicht unbedingt 20 Jahre draus werden.

Wie ist es zu schaffen, in Hiddenhausen erfolgreich dicke Bretter zu bohren, wo doch die SPD mit ihrer zumeist absoluten Mehrheit alles zudeckt?
Meinhold: Wie die Öffentlichkeit verfolgen konnte, wurden tatsächlich viele grüne Initiativen und Vorschläge zunächst fast reflexartig abgeschmettert, um nach einer Schamfrist manchmal Jahre später mit neuem Etikett oder verändertem Logo wieder aufzutauchen. Ich fand immer: Hauptsache, das Brett war gebohrt, die Idee Wirklichkeit geworden.

Warum konnten die Grünen in all den Jahren in der Gemeinde überleben?
Meinhold: Seit ihrer Gründung 1984 sind die Grünen in Hiddenhausen zu einer festen Größe geworden, in der Regel mit zweistelligen Wahlergebnissen. Für eine politische Partei sollte ihr »Überleben« kein Selbstzweck sein, stattdessen: Verdeutlichung der eigenen Ziele und das Werben für diese. Die Menschen haben uns bisher immer bestätigt. Wir wünschen uns natürlich weiter wachsende Zustimmung in einem fairen Wettbewerb.

Sie haben dem Kulturbetrieb auf dem Dorf Leben eingehaucht. Jetzt wird mit Freude gerade an der Kultur gespart. Kommt Frust auf?
Meinhold: Aus dem anfänglich zarten Pflänzchen der Kultur in Hiddenhausen ist in den 22 Jahren ein stattlicher Baum gewachsen, der auch stürmische Zeiten erträgt. Nicht jedes Jahr kann die Ernte üppig ausfallen. Wenn, wie heute, die Gemeindefinanzen knapp sind, ist Kreativität gefragt. Wir haben zum Beispiel bei den Zuschüssen für die Musikschulen erheblich einsparen können, ohne das Angebot zu reduzieren oder die Gebühren zu erhöhen. Die Grünen verstehen sich als Anwalt für die Kultur und achten darauf, dass die Proportionen zu anderen »freiwilligen« Leistungen stimmen.

Vier Bürgermeister haben ihren politischen Weg gekreuzt. Ihr Urteil über Ewald Inderlieth, Harry Rieso, Klaus Korfsmeier und Ulrich Rolfsmeyer.
Meinhold: Aus der Perspektive eines grünen Ratsmitgliedes ist entscheidend: Lässt sich der Bürgermeister im persönlichen Gespräch überzeugen, lässt sich in ihm ein Mitstreiter gewinnen beim Werben um eine Ratsmehrheit? Das gelang natürlich nicht immer - aber es gelang: Ewald Inderlieth machte sich erfolgreich stark für die Schaffung der »Galerie im Rathaus«. Harry Rieso konnte ich umstimmen, den Hof Sonntag nicht wie geplant abzureißen, sondern um die Hofanlage herum unter Einbeziehung der Gaststätte ein Dorfzentrum für Oetinghausen zu entwickeln. Heute feiert der Heimatverein hier unter großem Zuspruch sein Dorfbrunnenfest. Mit Klaus Korfsmeier hatten wir dann einen stetigen Austausch, zum Beispiel bei der Frage der Nahwärmeversorgung für die Gemeinde. Sein Werben für den Rückerwerb der Anteile blieb in seiner SPD-Fraktion zwar erfolglos - die notwendige Ratsmehrheit kam dennoch zustande. Ulrich Rolfsmeyer zeigt sich immer offen und interessiert - »Lern-Resistenz« ist seine Sache nicht.

Sie haben für den Landtag kandidiert und hätten sich nicht gescheut in ein Nominierungsverfahren für eine Bundestagskandidatur einzusteigen. Warum ist die große Politik am Ende doch reizvoller?
Meinhold: Zwei Jahrzehnte Kommunalpolitik haben mir viel Freude bereitet. Für jeden »Politiker« sollte eigentlich die kommunale Erfahrung zu seiner »Lehrzeit« gehören. Hier werden Basisentscheidungen gefällt, die die Menschen direkt betreffen und nur hier vor Ort kann man auch die direkte Antwort bekommen, nicht nur durch das Stimmkreuz, sondern im persönlichen Gespräch. Mit diesem soliden Fundament reizt mich die Arbeit im Land oder Bund.
Nun geht es zurück in den Kunstbetrieb, fernab vom dörflichen Hiddenhausen in das großstädtische Berlin. Ein Schritt der Erleichterung?
Meinhold: Nein, das ist kein Schritt, die dörfliche Heimat zu verlassen. Ich bleibe hier, möchte mit meinen Mit-Aktiven die Museumsschule weiter entwickeln. Dieser ehrenamtlich mit großem Engagement entwickelte Teil unserer Hiddenhauser Kulturlandschaft beweist, wie Bürgerinnen und Bürger unabhängig von öffentlichen Haushalten ihre Gemeinde selber mitgestalten können. Unser Verein zählt knapp 100 Mitglieder, von Jahr zu Jahr steigen die Besucherzahlen und Besichtigungs- und Schultermine. Der bündnisgrüne Gemeindeverband bleibt mein weiteres Standbein. Er hat sich gottlob deutlich verjüngt - es macht Spaß, die Perspektiven der jungen Menschen zu erfahren. Ich bleibe also verwurzelt.

Sie feiern ihren 60. Geburtstag. »Jedes Jahrzehnt hat sein eigenes Glück, seine eigenen Hoffnungen und Aussichten«, schreibt Goethe in den »Wahlverwandtschaften«. Was erwarten Sie vom sechsten Lebensjahrzehnt?
Meinhold: Was wünscht man sich für das sechste Lebensjahrzehnt? Gesundheit ist die Vorraussetzung für alles. Ich wünsche mir, die neuen Ziele, die ich mir stecke, zu erreichen. Das hält auch geistig fit. Dann wünsche ich mir, meine Kinder weiter begleiten zu dürfen - und dass die Liebe über meiner Familie weiter die Flügel ausgebreitet hält.

Artikel vom 22.06.2006