22.06.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Als Pfarrer auch mal Polizist

Monsignore Wolfgang Bender begleitet die Hundertschaften in Dortmund

Von Monika Schönfeld
Schloß Holte-Stukenbrock (WB). Als am vergangenen Mittwoch in der Nachspielzeit das entscheidende Tor gegen Polen fiel, war Monsignore Wolfgang Bender zwischen dem Dortmunder Stadion und den Westfalen-Hallen. »Ein befreiender Schrei lag über Dortmund, die Leute feierten. Die Polen waren zwar frustriert, aber nicht gewalttätig.« Auch heute ist der Polizeipfarrer aus Schloß Holte-Stukenbrock beim Spiel Brasilien gegen Japan wieder dabei, um den Hundertschaften der Polizei, die für die Fußball-Weltmeisterschaft eingesetzt sind, Beistand zu leisten.

Wolfgang Benders »Gemeinde« reicht von Siegen bis Minden und von Herne bis Höxter. Gemeinsam mit Pastor Henner Pohlschmidt aus dem Kreis Soest und Pfarrer Meinhard Elmer (Stadt Dortmund) ist er bei allen Spielen in Dortmund, das zum Erzbistum Paderborn gehört, dabei. Solche Großeinsätze zu begleiten, ist für den 46-jährigen Diözesanbeauftragten der Polizeiseelsorge im Erzbistum Paderborn, fast Routine. Er begleitet auch die Polizisten, die die Castor-Transporte schützen, wie auch die Einsatzkräfte bei den Chaos-Tagen in Berlin am 1. Mai.
Ein bisschen Weltmeisterschafts-Atmosphäre kann Bender auch schnuppern. »Das ist ein Glücksfall.« Hauptaufgabe ist aber, Ansprechpartner für die Polizisten zu sein. Im Führungswagen fährt er von einer Truppe zur anderen, Wartezeiten werden mit persönlichen Gesprächen gefüllt. Bisher hat es noch keinen Fall gegeben, bei dem ein Polizist angegriffen wurde und deshalb Beistand brauchte. »Wir kümmern uns um Polizeibeamte, die traumatische Erlebnisse hatten, damit sie darüber sprechen und sie verarbeiten können.«
Am Mittwoch mussten die Einsatzkräfte erstmals den Helm aufsetzen. Nachmittags und nachts wurden 400 gewaltbereite Menschen festgenommen, die mit Flaschen, Steinen und Stühlen warfen. Zur Eskalation kam es nicht - bei 100 000 Menschen zusätzlich in Dortmund war dieser Fall ein eher kleiner. »Die Strategie der Polizei ist aufgegangen. Die Stimmung der Fans wirkt sich auf die Polizisten aus, die gut drauf sind. Die Polizei hat sich lange auf die Weltmeisterschaft vorbereitet, Szene kundige Beamte haben die Hooligans vorher besucht und gewarnt. Die harten Brüder sind gar nicht an Tickets gekommen. Auch die internationale Zusammenarbeit klappt, den bekannten gewaltbereiten Menschen wurden die Pässe abgenommen, so dass sie gar nicht nach Deutschland kommen konnten.« Bender sagt, dass sich die Jahre der Vorbereitung gelohnt haben. »Am Mittwoch hat die Polizei Grenzen aufgezeigt. Wer gewalttätig ist, wird einkassiert.«
Der katholische Geistliche ist manchmal auch ein Stück Polizist. Am Montag nach dem Spiel Togo gegen die Schweiz sei ein Betrunkener unflätig geworden. Mit ihm hat sich Bender an den Straßenrand gesetzt und ihn »heruntergeredet« und damit die Situation geglättet.
Wolfgang Bender kommt nicht als Fremder in die Hundertschaften. Viele kennen ihn von der Polizeischule, wo er Berufsethik unterrichtet. »Das ist immer ein Aha-Erlebnis, wenn man sich wieder trifft. Viele Polizisten sind drei bis vier Jahre in den Hundertschaften, bevor sie vor Ort den Dienst tun. Es sind die wichtigen Gespräche am Rande über den Polizeialltag und persönliche Dinge. Manchmal dauert es Jahre, bevor ein Trauma ausbricht.«
Bender war nie aktiver Fußballspieler, Schwimmen und Fallschirmspringen sind mehr sein Ding. Aber die positive Partystimmung in Dortmund reißt ihn mit. »Es ergeben sich viele Gespräche - auch mit Fans. Manche wollen als Trophäe meine Polizei-Regenjacke oder mein Barett«, sagt Bender. Seine Fußball-Sympathien gelten Bielefeld und Paderborn. Es schmerze ihn, dass sein Heimatverein Sportfreunde Siegen aus der zweiten Bundesliga abgestiegen ist. Bei der Weltmeisterschaft drückt er natürlich Deutschland die Daumen, hält aber vor allem zu den lateinamerikanischen Staaten. Von 1990 bis 1995 war er als deutscher Priester ausgeliehen an Nicaragua, danach war er in einer Kirchengemeinde in Bünde, seit Anfang 2000 ist er Polizeipfarrer und damit zuständig für 15 nebenberufliche Polizeiseelsorger, zwölf Fachberater Seelsorge bei den Feuerwehren und 40 Notfallseelsorger im pastoralen Dienst im Erzbistum Paderborn.

Artikel vom 22.06.2006