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Literarische Wege nach Rom streifen Dalheim

Dichtung und Musik voller Entdeckungen im Kloster

Von Rainer Maler (Text und Foto)
Dalheim (WV). Wenn alle Wege nach Rom führen, dann muss es auf jeden Fall über Kloster Dalheim gehen. Wo die Augustiner-Mönche vor mehr als 500 Jahren ihr Leben dem Streben nach Vollkommenheit widmeten, versetzte die deutsche A-cappella-Formation »Singer Pur« im blauen Licht der Abenddämmerung die Besucher in Verzückung.

Unter dem Motto »Adieu mon esperence, Lieder von Liebe und Tod« erklang im alten Gotteshaus der musikalische Reichtum mittelalterlicher Hohelieder. Weitere Kompositionen der Renaissance von Claudio Monteverdi, Robert Schumanns »Sommerlied« sowie moderne Kompositionen verschmolzen die Sänger Markus Zapp, Manuel Warwitz, Reiner Schneider-Waterberg, Marcus Schmidl mit der Sopranistin Claudia Reinhard zu einem fulminanten Konzert.
Jahr für Jahr fasziniert die Reihe »Wege durch das Land«, organisiert vom Literaturbüro Detmold, mit Dichtern und Musikern, die an wunderschönen Orten, seien es nun Klöster oder Burgen, Literatur und Musik in einen historischen Bezug versetzen.
Aber eigentlich steht ja die Literatur im Vordergrund, Rom war das Thema und die Schauspielerin Christine Oesterlein rückte die sporadisch in Deutschbüchern vertretene Autorin Marie-Luise Kaschnitz wieder ins Rampenlicht. Oesterlein, eine »Grande Dame« des Schauspiels, mehr als 24 Jahre im Ensemble der Berliner Schaubühne, beeindruckte unter den klanglichen Einspielungen von Alex Goretzki mit ihrer sensiblen Lesung von Gedichten und Texten aus den römischen Jahren der Kaschnitz. Der Atem Roms und die rastlose Atemlosigkeit der Bewohner, wo ein Nebeneinander von Vernunft und kindlicher Grausamkeit, von Pathos und Berechnung zu finden sind, wo die Gewalt eines Kaiser Nero und der Feuertod der deutschen Dichterin Ingeborg Bachmann ihre Spuren im Bewusstsein der Menschen hinterließen, hat sich wie eine unerfüllte, quälende Liebe in die Texte eingebrannt.
Mit dem Satz »Indem ich Alles verrate, verrate ich gar nichts, weil in der Literatur nicht das gilt, was, sondern wie erzählt wird«, begann Josef Winkler seine Lesung. Winkler wurde bekannt durch seinen harten Realismus, mit dem er Leben und Sterben, den rauen Existenzkampf in niederösterreichischen Dörfern zwischen Depression und Hoffnungslosigkeit in seinen Büchern »Der Ackermann aus Kärnten« und »Menschenkind« beschrieb.
In seiner römischen Novelle »Natura Morta« erzählt der österreichische Autor vom Tod in Rom. Der jugendliche Fischverkäufer Piccoletto wird von einem Feuerwehrauto überfahren. Gesehenes wird in den Klang der Sprache verwandelt, der römische Alltag eines Marktes mit dem Geruch von Verwesung, Tod und Sterben wird zum Gesang auf die Schönheit. Gerade im Sterben findet der jugendliche Adonis seine Bestimmung. Minutiös schildert der Autor die teils verstörende Atmosphäre zwischen den Menschen und versucht, Leben und Tod, Liebe und Abschied miteinander zu versöhnen und Rom als Ort der Sehnsucht und der Hoffnung zu bewahren.

Artikel vom 20.06.2006