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Ihr Herz schlägt für Portugal

Bad Driburger bejubeln den Achtelfinaleinzug der Figo-Truppe

Von Jürgen Köster
Bad Driburg(WB). Jorge Ribeiro springt auf und reißt die Arme zum Himmel, als in der 95. Minute der Ball zum dritten Mal im Netz der Iraner zappelt: Leider ein Abseitstor, aber Sekunden später umarmen sich Männer und Frauen in rot-grünen Trikots. Portugal hat mit dem 2:0-Sieg das Achtelfinale bei der Fußball-WM erreicht. Grund genug für die Bad Driburger dies ausgelassen zu feiern.

Im Portugiesischen Freizeitzentrum in der Schulstraße treffen sich nach Ende der Begegnung viele der mehr als 50 Portugiesen, die in Bad Driburg leben. Einer der Ältesten ist Manuel Lopes (66). Er kam 1964 von Portugal nach Deutschland, um hier zu arbeiten. Bei der Firma Buddenberg fand er eine Anstellung, Freunde und Bekannte folgten ihm nach. Als das Unternehmen vor zwölf Jahren den Betrieb einstellte, zog es einige wieder zurück in ihre Heimat, andere suchten sich Arbeit in anderen Städten in Nordrhein-Westfalen.
Dort gibt es in zahlreichen Städten portugiesische Begegnungsstätten. Mehr als 30 Jahre lang besteht das Freizeitzentrum in Bad Driburg. Fernando Pereira ist einer derjenigen Portugiesen, die sich für den Erhalt des beliebten Treffpunktes einsetzen. »An den Wochenenden treffen sich hier die Familien, kochen und essen zusammen, unterhalten sich oder spielen Karten. Skat, aber portugiesisch!«, lächelt der sympathische 43-Jährige. Und: »Wir möchten die Kultur unserer Heimat weiter pflegen.« Unter anderem gibt es Gottesdienste in Portugiesischer Sprache. Zweimal im Monat kommt ein Geistlicher aus Minden, um mit den portugiesischen Bad Driburgern die Heilige Messe in ihrer Muttersprache zu feiern.
Dabei leben die meisten von ihnen schon seit Jahrzehnten in Bad Driburg. »Hier ist unsere Heimat, aber unsere Wurzeln sind in Portugal«, sagt Rosa Heinemann, die bei der WM die Daumen für Portugal und Deutschland drückt. »Wenn Deutschland ins Finale kommt, fahren wir nach Berlin, um nahe dabei zu sein und mitzufeiern«, fiebert sie auch mit Klinsis Mannen. »Deutschland gegen Portugal« ist der Endspieltipp von Jorge Ribeiro, der nun aber erst einmal auf das Achtelfinale schaut, für das sich Figo, Deco, Pauleta und Co. qualifiziert haben. »Holland als Gegner wäre besser als Argentinien«, urteilt er wie die meisten seiner Landsleute, die die Partie bei Familie Pereira zu Hause gemeinsam verfolgen.
Dort fiebern sie mit, kritisieren »ihre« Stars, die einige von ihnen in Marienfeld »live« erleben durften, aber auch, wenn es angebracht scheint. »Cristiano Ronaldo dribbelt zu viel. Das bringt doch nichts«, meint Jorge Tavares, als der Jungstar den Ball viermal auf dem Fuß tanzen lässt, um ihn sich dann von einem iranischen Gegenspieler weglupfen zu lassen. Decos Traumtor in der 62. Minute entlockt Fernando Pereira ein respektvolles »Alter Schwede!«. Kollektiver Jubel bricht im Wohnzimmer beim 2:O per Elfmetertor durch Dribbelkünstler Ronaldo los. Und endlich sind auch die portugiesischen Fans im Frankfurter Stadion deutlich zu hören. »Die Deutschen haben aber die schöneren Lieder«, sind sich die Bad Driburger einig, deren Herz für Portugal schlägt.

Artikel vom 19.06.2006