17.06.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Das sind eben Männer«

U12-VfB-Mädchen analysieren Spiel der deutschen Mannschaft

Von Malte Samtenschnieder
(Text und Fotos)
Schloß Holte-Stukenbrock (WB). »Scha-la-la-la« - ausgelassen feiern die Nachwuchskicker der U12-Mädchenmannschaft des VfB Schloß Holte am Mittwoch das erfolgreiche Abschneiden der deutschen Fußball-Elf beim WM-Vorrundenspiel gegen Polen. Wie groß sind Freude und Erleichterung, als in der Nachspielzeit endlich der von allen herbei gesehnte Siegestreffer fällt.

Dass das deutsche Team gegen Polen gewinnen würde, ist den VfB-Jungfußballerinnen, die das WM-Spiel gemeinsam mit ihren Trainerinnen Anja Niermeier, Stefanie Kramer und Melanie Paul bei einem mannschaftsinternen »Public Viewing« unter freiem Himmel verfolgen, von vornherein klar. Perfekt haben sich die Mädchen auf den besonderen Abend, der zugleich das Ende ihrer eigenen Fußballsaison markiert, vorbereitet. Mit Deutschland-Fahnen, WM-Schals und Nationalmannschaftstrikots ausstaffiert, Gesichter, Arme und Beine mit Mini-Flaggen in den Farben Schwarz, Rot und Gold verziert, skandieren die Neun- bis Zwölfjährigen während der gesamten Fernsehübertragung gängige Fan- und Anfeuerungslieder. »Komm schon Deutschland, wir wollen was sehen - wozu unterstützen wir euch denn«, bringt Lara (10) die Stimmung auf den Punkt.
Während des Spiels steht aber nicht etwa Torschütze Oliver Neuville in der Gunst der jungen Zuschauerinnen an erster Stelle. »Michael Ballack ist voll toll. Der sieht gut aus und schießt sonst immer super Kopfballtore«, meint Saskia (12). Dem widerspricht Carina (13) entschieden. »Der gibt doch nur an und denkt, ohne ihn läuft gar nichts.« Der Überraschungsnominierte David Odonkor begeistert dagegen alle Mädchen aufgrund seiner Schnelligkeit. Zudem schwärmen sie für das sympathische Erfolgsduo »Schweini« und »Poldi«. In der Torhüterfrage sind sie dagegen geteilter Meinung. »Lehmann macht das besser als Kahn«, urteilt Marie (12), während Chiara (12) meint: »Für mich gehört eindeutig Mario Hildebrand ins deutsche Tor.«
Mit Nationaltrainer Jürgen Klinsmann sind die Nachwuchskickern insgesamt zufrieden. »Ich finde es gut, dass er vielen jungen Spielern eine Chance gibt«, sagt Marie. Und Chiara: »Zudem lässt er sich bei seinen Entscheidungen nicht von außen beeinflussen.«
Dafür, dass bei der deutschen Nationalmannschaft ab und zu etwas schief geht, haben die U12-Fußballerinnen eine einfache Erklärung. »Das sind eben Männer«, bringen sie ihre leidenschaftliche Analyse auf eine verblüffend kurze Formel. »Jungen sind eigensinnig, foulen viel, geben an und wollen immer nur aufs Tor schießen«, so ihre Erfahrungen. »Mädchen sind taktisch besser«, sagt Chiara. »Außerdem haben sie einen besseren Teamgeist«, pflichtet ihr Merle (11) bei.
Während des Spiels ist die kritische Meinung zu Jungen weitgehend vergessen. Saskia lässt sich gegenüber ihrer geringschätzig lachenden Mitspielerin Neele in der 20. Minute sogar zu einer Verteidigungsrede hinreißen: »Das war voll gut, das kannst du nicht.« Kräftig ziehen die Mädchen dagegen die polnischen Gegner durch den Kakao und hätten sich - bei einem Besuch im Stadion - wohl auch mit dem spanischen Schiedsrichter angelegt, an dem sie bisweilen kein gutes Haar ließen. Dass die deutsche Mannschaft das spannende Spiel letztlich gewinnt, haben außer den Akteuren auf dem Feld auch die anfeuernden Mädchen vorm Fernseher in Schloß Holte-Stukenbrock mehr als verdient. Bei derart leidenschaftlichen Fans darf eine Partie einfach nicht verloren gehen.

Artikel vom 17.06.2006