19.06.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Laufstarker Schiedsrichter hebt ab

Nacht-Notizen: leichtfüßige Carla Beurskens - Fußball-Fieber ein Problem



n Fast so leichtfüßig wie bei ihren drei Triumphen im Elitelauf von 1983 bis 1985: Die Niederländerin Carla Beurskens, damals absolute Weltklasse, kehrte nach 21 Jahren Pause an die Stätte früherer Erfolge zurück. Und beeindruckte im Zehn-Meilen-Volkslauf als zweitschnellste Frau in 1:05:29 Std.. Die mittlerweile 54-Jährige ließ 70 fast ausschließlich jüngere Damen hinter sich. Wenn es die Zeit erlaubt, trainiert sie nach wie vor 85 bis 100 km pro Woche, stellte sich aber Samstag im Ziel dennoch die Frage: »Wie konnte ich bei meinem Streckenrekord 1984 auf diesem schwierigen Kurs fast 13 Minuten schneller laufen?«
Das Leistungsvermögen ist immer noch gut für absolute Spitzenplätze bei Altersklassenmeisterschaften, Carla Beurskens wählt ihre Starts heute aber lieber nach der Attraktivität der Laufstrecken aus. In Pium freute sie sich mit ihrem Mann über die herzliche Aufnahme durch die Familie Remmert, wo sie auch in den 80ern schon untergebracht war. Und das nächste Ziel? »Der Honululu-Marathon, den ich vor Jahren mehrfach gewonnen habe. Dort bin ich zu einem 5-km-Lauf eingeladen, werde vielleicht aber drei Tage später auch noch einmal die klassischen 42 km laufen. Dann aber wirklich zum letzten Mal...«
n »Das war mein erstes Rennen auf Inlineskates überhaupt.« Josef Giesen sucht auch mit 44 Jahren noch neue Herausforderungen. Der Leistungssportler aus Herzlake ist contergangeschädigt und trotz dieses Handicaps seit 1994 Biathlet. Eine spezielle Vorrichtung ermöglicht das Zielen und das Abfeuern des Gewehrs. Giesen hat nach drei Medaillen in Salt Lake City bei den Winter-Paralympics in Turin erneut Silber über 7,5 km gewonnen. Der Start in Pium war Teil des Sommertrainings, seit gestern schindet er sich in Oberwiesenthal während eines Trainingslagers auf Rollski und Inlineskates, um im Winter das hohe Niveau zu halten: »In intensiven Phasen komme ich auf bis zu zwölf Trainingseinheiten pro Woche. Die Konkurrenz wird von Jahr zu Jahr härter.«
n In dem Fall darf ein Fußball-Schiedsrichter durchaus 'mal den Boden unter den Füßen verlieren: Cetin Sevinc hob zur Belohnung für seine starke Laufleistung noch Samstag Abend im Ravensberger Stadion mit einem Heißluftballon ab und genoss bei bester Sicht den ersten Preis für seinen Sieg beim Referee's Run im Rahmen des Zehn-Meilen-Volkslaufs. Der Verbandsliga-Schiedsrichter aus Dortmund belegte in guten 1:06:54 Std. den 27. Rang der Gesamtwertung und hielt zwei starke Konkurrenten in Schach: Bernd Zantop und Christoph Hanck (1:07:04 und 1:07:13) folgten unmittelbar danach auf den Plätzen 28 und 29. »Wir wollten hier zeigen, dass wir Leistungssportler und keine Hobbyjogger sind«, sagte der Sieger, der ohne Volkslauf-Erfahrung nach Pium kam. Beweis erbracht!
n Das »lange Wochenende« mit Fronleichnam kostete die Piumer Großveranstaltung wie erwartet einige Teilnehmer: 230 weniger als im Vorjahr erreichten das Ziel in allen acht Wettbewerben, wobei die Gesamtzahl von 1643 immer noch beachtlich ist. Was negativer auffiel, war das streckenweise dünne Zuschauerspalier an der Strecke, das natürlich auch zu Lasten der Stimmung geht: »Viele Leute haben zur Zeit eben nur Fußball im Kopf«, klagt Friedhelm Boschulte, Vorsitzender des Veranstalters LC Solbad Ravensberg.
Dennoch hat sich aus Boschultes Sicht das Bemühen um deutsche Spitzenläufer wie Jan Fitschen und Susanne Hahn oder regionale Größen wie Elias Sansar ausgezahlt. Dem Feld des Elitelaufs ein noch prägnanteres Gesicht zu geben, ist das Ziel für die Zukunft, denn die Dominanz der Afrikaner wächst sich zum Problem für die Straßenlaufszene aus. Boschulte: »Wenn man sich die Ergebnislisten der Cityläufe anschaut, sieht man auch in Holland oder Frankreich das gleiche Bild - und die Entwicklung wird heiß diskutiert.« Das Patentrezept für mehr Attraktivität kennt bisher keiner.

Artikel vom 19.06.2006