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»Kaká, Kaká!
Goooooolllll!«

Ein Fußballabend mit Brasilianerinnen

Von Ingo Schmitz
Brenkhausen (WB). In Brenkhausen prallen Fußballwelten aufeinander. Der eine Teil der Familie Trepschick feuert die deutschen, der andere die brasilianischen Kicker an. Jetzt in der Vorrunde der WM werden aber gemeinsam für beide Teams die Daumen gedrückt. Doch wehe, wenn das Finale wie zuletzt 2002 Deutschland gegen Brasilien lauten sollteÉ

Francis (43) und Claudia Trepschick (36) haben den Samba im Blut. Die Schwestern, die die Brüder Jürgen und Klaus-Dieter Trepschick geheiratet haben, leben zwar seit etlichen Jahren in Höxter, doch ihre brasilianische Herkunft können die Frauen -Êgerade wenn es um das Thema Fußball geht -Ênicht verbergen. Für sie ist die Fußball-WM ein brasilianisches Fest, das mit Euphorie und Herzblut zelebriert wird. Klar, dass sie in diesen Tagen nur das gelbgrüne Trikot tragen.
Dienstag, 21 Uhr: Dem amtierenden Weltmeister Brasilien steht an diesem Abend der erste Auftritt der WM 2006 bevor. Francis und Claudia sitzen sichtlich nervös auf dem heimischen Sofa vor dem Fernseher. Sie haben eine Internetkonferenz zu ihrer in Rio lebenden Schwester Stella geschaltet. Auch die ist sicher: »Brasilien wird Weltmeister.«
Als die Kroaten das Spielfeld betreten, brechen die Frauen in Gelächter aus: »Was haben die für Trikots an? Die sehen ja wie Clowns aus!« Doch das Gelächter verebbt nur wenig später, als die Brasilianerinnen sehen, wie gefährlich die Kroaten der Seleção (Auswahl) sind. Von brasilianischem Fußballzauber keine Spur.
Immer wieder suchen die Gegner den Weg zum Tor der Brasilianer, die selbst sehr träge scheinen. Immerhin funktioniert die Abwehr. Claudia hält sich den riesigen »Goal«-Handschuh schützend vor die Augen. »Ich kann das nicht mit ansehen«, sagt die gelernte Erzieherin mit einem gequälten Unterton. Francis, eine gelernte Statikerin, vergräbt ihr Gesicht in den Händen, schaut wieder hervor und zischt: »Was ist bloß mit Ronaldo los? Der kann sich ja kaum bewegen. Der gehört vom Spielfeld runter!«
Der brasilianische Sturm mit Ronaldinho und Ronaldo wirkt so müde, dass die Frauen nahezu verzweifeln und unentwegt schimpfen. 44 Minuten lang bangen und zittern sie bei jedem Angriff der Kroaten und hoffen, dass diese den Brasilianern nicht zuvorkommen. Dann die Erlösung: Der bis dahin enttäuschende Kaká trifft aus 20 Metern zur glücklichen Führung in den Winkel.
Francis und Claudia springen auf, jubeln, kreischen, umarmen sich und tanzen durchs Wohnzimmer. Immer wieder rufen sie: »Kaká, Kaká -ÊGoooooolllll.« Als im Fernsehen die Wiederholung dieses Traumtores gezeigt wird, stimmen die beiden ein brasilianisches Lied an und nutzen den Couchtisch als Rhythmus-Instrument. Für die beiden Frauen gibt es kein Halten mehr.
Trotz des Siegtores sind die Schwestern nach dem Spielabpfiff enttäuscht. Francis: »Die einzigen Helden dieses Abends sind Kaká und Torwart Dida. Aber Ronaldo soll demnächst lieber auf der Bank bleiben.«
Ehemann Jürgen kann sich eine spitze Bemerkung dennoch nicht verkneifen: »Die deutsche Nationalhymne klingt einfach besser.« -ÊDarauf seine Frau: »Dafür haben wir eine Abwehr, die euch fehlt.« Na das kann ja im Laufe der WM noch heiter werdenÉ

Artikel vom 15.06.2006