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»TV-Show«
im Gericht

Dealer (20) verurteilt

Herford (cl). Beim Jugendschöffengericht hatte man den Eindruck, man sei unfreiwillig Zuschauer einer Fernseh-Show geworden. Eine große Anzahl von Verwandten, Freunden und »Fans« begrüßten den 20-jährigen Türken Afnir I. (Name geändert), als er nach fünf Monaten U-Haft in Handschellen in Saal 309 geführt wurde.

Die Untersuchungshaft hat ihm zu neuen Erkenntnissen verholfen: »Obwohl ich 2003 schon einmal eine Woche Dauerarrest verbüßen musste, hatte ich mir das Gefängnisleben ganz anders vorgestellt!« Auch damals war I. wegen Drogenhandels straffällig geworden.
Diesmal hatte Afnir I. einen Bruder besucht, der jetzt in Aachen wohnt. »Den kenne ich dienstlich auch«, konstatierte der Vorsitzende Richter Dieter Bollhorst. Dabei lernte I. einen Dealer kennen, der Amphetamine in großen Mengen in Belgien besorgen konnte. Im November 2005 ließ sich Afnir I. von einem Kurier vier Kilo Amphetamine nach Herford bringen, die der Angeklagte mit 1500 Euro Gewinn in Herford verkaufte. Mitte Dezember sollten es ein Kilo Amphetamine und 5000 Ecstasy-Pillen sein, die ein »Rainer« über einen Kontaktmann bestellt hatte. Weil die Pillen nicht lieferbar waren, gab es zwei Kilo Amphetamine zum Vorzugspreis von 7000 Euro. Doch in Herford flogen alle auf, weil »Rainer« ein verdeckt operierender Mitarbeiter des Bayerischen Landeskriminalamtes war.
Inzwischen hat die kurdische Familie des Angeklagten den Kontakt zur schwangeren türkischen Freundin akzeptiert, umgekehrt ist es genauso. Das Urteil - 21 Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung und 200 Arbeitsstunden - wurde von den »Fans« mit Beifall aufgenommen. Richter Bollhorst dämpfte die ausgelassene Stimmung: »Der Beifall relativiert sich, wenn man an die vielen Opfer solcher Drogen denkt!«

Artikel vom 13.06.2006