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Begehrte Fanartikel:
Fahnen im Fahrtwind

WM-Euphorie: Herforder zeigen an Autos Flagge

Von Jörn Hannemann
Herford (HK). Wenn am Mittwoch bei der Weltmeisterschaft Deutschland gegen Polen antritt, werden die Straßen in Herford wieder einem Fahnenmeer gleichen. Schon am Freitag dekorierten viele Fans ihre Autos. Für sie ist es der Ausdruck eines neuen Nationalgefühls.

Am Tag des Eröffnungsspiels zur Fußball-WM war es besonders auffällig. Ob kleiner Opel Corsa oder üppige 7er-BMW-Limousine: Bunt und fröhlich flatterten in Herford links und rechts an den Seitenscheiben schwarz-rot-goldene Fahnen im Fahrtwind.
»Die Fahnen sind der Renner. Allein am Freitag haben wir zehn Stück verkauft«, freut sich Hans-Jürgen Schöning von der Shell-Station an der Bismarckstraße. Dabei lag die Lieferung anfangs wie Blei in den Regalen. »Doch je näher die WM rückte, um so verrückter wurden die Kunden.«
Ähnliches berichtet Rüdiger Röthemeyer, Pächter der Aral-Tankstelle an der Mindener Straße. 3,49 Euro haben bei ihm die Fahnen gekostet. Mittlerweile sind alle Exemplare ausverkauft: »Mit so einer Nachfrage hatte ich nicht gerechnet.«
Doch was für den einen Ausdruck des schönen neuen Nationalgefühls ist, erscheint anderen verkehrsgefährdend: »Der Fahnenschmuck liegt in der Eigenverantwortung des Halters und des Fahrers«, betont Stephan Strothmann, Leiter beim TÜV Kirchlengern. Wenn die Fahnen bei hoher Geschwindigkeit abfallen, sei eine Verletzungsgefahr für andere Verkehrsteilnehmer nicht auszuschließen: Deshalb sein Rat: »Wir wollen die WM-Euphorie nicht dämpfen, raten aber trotzdem ab, Autofahnen zu montieren.«
Pech hatte bereits ein Taxifahrer aus Kassel, dessen Fahne knapp 47 Zentimeter lang war. »Zu lang«, entschied die Polizei bei einer Kontrolle und beschlagnahmte sie. Nun kann der 53-jährige keine Flagge mehr zeigen. Außerdem droht ihm ein Bußgeld wegen einer Ordnungswidrigkeit. In Herford hätte der Fahnenfreund vielleicht mehr Glück gehabt: »Wir sind keine Spielverderber. Wir werden im Einzelfall entscheiden und mit Augenmaß urteilen«, kündigt Polizeisprecher Detlef Albers eine »positive Grundhaltung« der Ordnungshüter in der Flaggenfrage an. Allerdings darf die Verkehrssicherheit nicht beeinträchtigt werden.
Nachbestellen will Tankstellenbesitzer Rüdiger Röthemeyer die Autofahnen trotzdem nicht. »Bis die neue Lieferung eintrifft, ist Deutschland vielleicht schon ausgeschieden.« Und der Hype um die Fahnen schon wieder vorbei.

Artikel vom 13.06.2006