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Während Fleischergeselle Dirk Horstmann (im Hintergrund) das Schweinefleisch in kleinere Stücke zerlegt, durchmengt Fleischermeister Jürgen Horst (vorne) diese inÊeiner großen Wanne. Auf die Unterstützung durch Auszubildende müssen die beiden in diesem Jahr verzichten. Aufgrund schlechter Erfahrungen hat sich Jürgen Horst dagegen entschieden, einen Lehrling einzustellen.

»Es mangelt häufig
an Eigeninitiative«

Handwerker zwischen Ausbildungslust und -frust

Von Silke Schade (Text und Fotos)
Kreis Herford (HK). Nick Gaese hat seinen Wunschberuf gefunden. Rohre verlegen, Leitungen abdichten und Heizungen bauen. »Das liegt mir und macht viel Spaß«, sagt der 18-Jährige. Auch Uwe Homburg, Inhaber der Firma Intec-Installationstechnik in Löhne-Wittel, ist mit dem jungen Handwerker zufrieden - sogar so sehr, dass er dessen Praktikumstelle kurzerhand umwandelt - in einen Ausbildungsplatz.

Welch großes Glück der ehemalige Gesamtschüler hat, beweist die Statistik. Nach Mitteilung der Industrie- und Handelskammer Bielefeld entfielen Ende Februar in Ostwestfalen nur 7147 Lehrstellen auf 13 910 Bewerber. Fast jeder Zweite stünde damit auf der Straße.
Zahlen, die auch Jürgen Horst (37), Geschäftsführer der gleichnamigen Fleischerei in Löhne-Mennighüffen, kennt.
Von einem Lehrling in seinem Betrieb möchte er in diesem Jahr trotzdem absehen. »Jahrelang habe ich es als Pflicht empfunden, mein Wissen und Können an junge Leute weiter zu vermitteln«, erzählt der 37-Jährige. Doch damit sei nun - zumindest erst einmal - Schluss. »Es darf nicht nur ein Geben, sondern muss auch ein Nehmen sein. Und das habe ich leider zu oft vermisst«, fasst er seine Erfahrungen der vergangenen Jahre zusammen. Kaum Interesse, wenig Eigeninitiative - nur zwei der Unzulänglichkeiten, die der
Fleischermeister bei vielen Jugendlichen anprangert.
»In der Schule werden sie an die Hand genommen. Sie verlassen sich darauf, dass das auch im Berufsleben so weitergeht«, sucht Jürgen Horst nach einer möglichen Erklärung. Ihm stünden die Haare zu Berge, wenn er an die Schludrigkeit denke, die manche an den Tag legten. Schon die Bewerbungen wimmelten nur so von Fehlern. »Da kommt einem das kalte Grausen«, schüttelt der Geschäftsführer den Kopf. Wohlwissend, dass er in seiner Branche zum großen Teil mit »Problemfällen« zu tun hat. »Der Beruf des Fleischers ist nicht besonders attraktiv, weil er körperlich anstrengend ist. Außerdem schreckt der frühe Arbeitsbeginn um fünf Uhr ab.«
Über mangelndes Interesse kann sich Matthias Scheffer (40), Inhaber der Tischlerei Hartmann in Löhne-Bahnhof, nicht beklagen. Ein Stapel an Bewerbungen landet jährlich auf seinem Schreibtisch. Unzählige Male klingelt sein Telefon, und ein Bewerber stellt sich vor. In diesem Jahr jedoch ohne Aussichten auf Erfolg. Denn der Tischlermeister nimmt sich eine Ausbildungspause. Was in erster Linie daran liegt, dass im nächsten Jahr sein Pachtvertrag ausläuft und er noch nicht weiß, wie es weitergeht.
Allerdings kann er auch einen gewissen Unmut nicht verhehlen. »Zweimal wöchentlich Berufsschule, dann noch überbetriebliche Ausbildung, hinzu kommen Urlaubs- und Krankheitstage - da freut man sich, wenn der Lehrling überhaupt einmal im Betrieb ist«, grantelt der 40-Jährige. Auch er hat eklatante Schwächen erkannt - besonders in Deutsch und Mathe: »Einige Auszubildende scheitern schon daran, Quadratmeter zu berechnen oder einen Stundenzettel lesbar auszufüllen.« Eine löbliche Ausnahme bilde sein Lehrling Sascha Nagel, der kurz vor der Gesellenprüfung steht. So zufrieden Matthias Scheffer mit seiner Arbeit auch ist, eine Festanstellung kann er ihm trotzdem nicht bieten. »Die Auftragslage gibt nicht genug her, um einen zusätzlichen Mitarbeiter zu beschäftigen.« Diesen Pessimismus kann und will Uwe Homburg (36) nicht teilen.
Der Inhaber der Firma Intec Installationstechnik wählt seine Auszubildenden sorgfältig aus. Wer eine Lehrstelle haben will, muss sich in zwei Praktika bewähren - eines während der Schulzeit und das andere in den Ferien.
»So wissen beide Seiten von vornherein, was auf sie zukommt«, erklärt Homburg das Erfolgsrezept. »Wir haben bisher ausschließlich positive Erfahrungen gemacht«, bestätigt der 36-Jährige. Dabei werde gute Arbeit schon einmal mit einer Übernahme belohnt.
Eine Perspektive, die auch Lehrling Nick Gaese motiviert: »Ich bin froh über die Chance, die sich mir bietet.«

Artikel vom 14.06.2006