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An den »Straßen der Tränen«
treffen weiße Kreuze ins Mark

Landrat setzt 30 dramatische Zeichen an Paderborner Todesstrecken

Von Karl Pickhardt (Text und Fotos)
Kreis Paderborn (WV). Sie stehen an den Straßen der Tränen. 30 mannshohe schneeweiße Holzkreuze »schreien« im Paderborner Land Autofahrer an: »Fahrt vorsichtig!«. Jedes Kreuz steht für einen Verkehrstoten auf Paderborner Straßen in den vergangenen drei Jahren. Allein am Diebesweg in Paderborn schmerzen sechs Kreuze - davon gleich drei an jener Stelle, an der im Oktober 2004 drei britische Soldaten ums Leben kamen. Jedes Kreuz ist eine Tragödie.

Landrat Manfred Müller nennt die Kreuze ein »dramatisches Zeichen«. Müller, der in seiner Jugend selbst einen Bruder bei einem Unfall verlor, will mit den auffälligen Kreuzen an Kreis-, Land- und Bundesstraßen zumindest für einen winzigen Moment beim Vorbeifahren Aufmerksamkeit erregen. »Hier ist etwas Schlimmes passiert«, sagen die stummen Zeichen. Familien und Angehörige der Opfer leiden oft viele Jahre lang fürchterlich an den Unfallfolgen und schmerzlichen Verlusten.
Die Kreuze tragen keine Namen, stehen aber immer für ein persönliches Schicksal. Opferschutzbeauftragte der Polizei haben zuvor mit den betroffenen Familien gesprochen. Sie sind mit den weißen Kreuzen einverstanden. Oft setzen Familien selbst am Unfallort Kreuze.
In diesem Jahr sind bereits zehn Menschen auf Paderborner Straßen bei einem Unfall ums Leben gekommen. Landrat Manfred Müller beklagt eine Unfalltodesrate im Kreis Paderborn, die leicht über dem Landesdurchschnitt liege. Er macht dafür auch die vielen Einfallstraßen zum Oberzentrum Paderborn mitverantwortlich. Viele Todesunfälle ereigneten sich auf dem Weg nach oder von Paderborn.
Nach dem Beispiel des Kreises Kleve setzt Paderborn als erster Landkreis in Westfalen weiße Kreuze an Unfallstraßen. Gestern setzten Schreiner- und Malerauszubildende des Technologie- und Berufsbildungszentrums (tbz) unter Leitung ihres Meisters Klaus Hölting (39) aus Schloß Neuhaus am Kleinen Hellweg zwischen Wewer und Tudorf solche Kreuze. Schon die Anfertigung in tbz-Räumen löste unter den jungen Autofahrern lebhafte Diskussionen aus. Ob am Diebesweg in Paderborn, am Kleinen Hellweg, an den Bundesstraße 64 und 68 oder an der Kreisstraße zwischen Leiberg und Haaren: Die Holzkreuze rütteln wach.
Maximal drei Jahren verbleiben die weißen Kreuze an den Unfallstellen. Jedes Jahr wandern die ältesten Kreuze zu neuen Unfallstellen.
Landrat Manfred Müller verteidigte angesichts der hohen Opferzahlen Geschwindigkeits-, Gurt- und Alkoholkontrollen, die nachweisbar Unfallzahlen senkten. »Kontrollen sind lebensnotwendig«, sagte der Landrat.

Artikel vom 13.06.2006