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Das Wort zum Sonntag

Von Pfarrer Hermann Josef Klöpper


Eine »runde Sache« bewegt in diesen Tagen und Wochen die Welt. Vom 9. Juni bis 9. Juli findet die Fußball-WM in unserem Land statt, und fast ist von nichts anderem mehr die Rede. Dem Spiel um das runde Leder gilt die fast ungeteilte öffentliche Aufmerksamkeit.
Mitten darin wird in unserer Kirche ein Fest gefeiert, in dem es auch, zwar nicht um eine runde Sache, sondern um ein »rundes Geheimnis« geht. Ich meine das Fronleichnamsfest am kommenden Donnerstag, 15. Juni. Der Vergleich mag befremden, wenn nicht inzwischen die Begeisterung für den Sport quasi-religiöse Züge angenommen hätte, so dass unsere kirchlichen Feste dabei in den Hintergrund geraten können.
Nun ist eine Fronleichnamsprozession, die diesen Tag auszeichnet, völlig anders gelagert. Da möchte man in aller Öffentlichkeit zeigen, zu wem man gehört. Daher auch der Name: Fron-Leichnam! »Fron« bedeutet ja »zum Herrn gehören«, wie noch aus dem Wort Frondienst deutlich wird. Und Leichnam bedeutete früher nicht der tote Leib, sondern der Leib, der lebendige. Unser Leben gehört dem Herrn, das will Fronleichnam sagen. Und da »demonstrieren« wir mit einem kostbaren Zeigegefäß, lateinisch Monstranz, in dem die runde Hostie, das heilige Brot, gezeigt wird. Es ist »das Brot, das vom Himmel gekommen ist«, das uns der Herr am Abend vor seinen Leiden, zu seinem Gedächtnis, geschenkt hat.
Dafür wollen wir danken in aller Öffentlichkeit, nicht bloß mit Worten. Wir nehmen zu Hilfe die geschmückte Natur, die Blumen, den freien Himmel über uns, die festliche Musik, unsere froh gestimmten Herzen, und wir preisen den, der in unserer Mitte wohnt, Christus, den Herrn der Welt, der mit uns geht auf den Straßen unseres Lebens. Der bedeutende Theologe Karl Rahner hat einmal gesagt: »Eine Prozession, ob zu Fronleichnam oder wann und wie immer, ist ein Zug, der niemanden bedroht, keinen ausschließt und selbst die noch segnet, die verwundert am Rande stehen.« Nein, wir bedrohen niemanden mit der Prozession, wenn wir mit dem Heiligsten, was wir haben, durch die Natur ziehen, über Stock und Stein, durch Feld und Wald, über Seen, Flüsse, und Straßen, dann auch, um die Pflanzen und Tiere als Geschwister und Verwandte zu begrüßen und zu segnen und die Frucht, die jetzt wieder in den Gärten und Feldern wächst.
Wenn wir das so öffentlich mit Dank und Freude tun dürfen, wird uns aber auch schmerzlich bewusst, dass es Schwestern und Brüder gibt, die sich verstecken müssen, um ihren Glauben zu leben. Wir denken auch an die traurigen Prozessionen und Züge von Flüchtlingen, von Verwundeten in der Welt, die der Hass zusammengetrieben hat, an die Millionen Menschen, die nicht danken können, sondern fluchen, weil sie kein Brot haben.
Was aber, liebe Leserin, lieber Leser, würden wir denen antworten, die uns fragen würden: »Was tut ihr da - was macht ihr da für einen Aufwand?« So fragen im Stillen alle, die hinter den Gardinen sich verstecken oder am Straßenrand uns spöttisch zuschauen? Sie würden unsere begeisternden Fronleichnamshymnen und -lieder nicht verstehen, vielleicht aber das, was ein alter Mann, der schon ganz gebeugt mit der Prozession ging, sagte: »Das ist ein Stückchen Brot, hinter dem ungeheuer viel steckt.« Und was dahinter steckt, sagte eine Frau, die ganz einfach gekleidet war. Sie sagte nämlich: »Hinter diesem Brot steckt meine ganze Hoffnung, dass ich doch einmal gesättigt werde. Ich habe eine gute Rente«, sagte die Frau, »und kann mir viel Brot kaufen und kann täglich ins Café gehen. Aber ich habe noch kein Brot gefunden, das mich satt macht. Aber dieses weiße, runde Scheibchen ist meine Hoffnung, denn da steckt ungeheuer viel dahinter. Ein Mensch wie wir, der hat sich selbst weggegeben und wird selbst Brot. Wissen Sie«, sagte diese Frau, »so einer, der sich selbst weggibt, so etwas ist meine letzte Hoffnung, mein Himmel.«
Ich wünsche ein gesegnetes Fest und grüße Sie herzlich.
Hermann Josef Klöpper Pfarrer

Artikel vom 10.06.2006