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Motto: Immer in Bewegung bleiben

Erich Stratmann feiert heute in Oesterweg seinen 100. Geburtstag

Versmold-Oesterweg (igs). In dem Jahr, in dem Erich Stratmann das Licht der Welt erblickte, feierten die Norweger ihren ersten selbstständigen König und die Welt die erste Musikübertragung im Radio. Heute hat Erich Stratmann selbst einen richtig guten Grund zum Feiern: Er wird 100 Jahre alt.

In Bewegung ist Erich Stratmann immer geblieben - sowohl geistig als auch körperlich. Und auch heute lässt es sich der ehemalige Schulrektor nicht nehmen, jeden Tag spazieren zu gehen. Auf ein ganzes Jahrhundert zurückzublicken? Das ist für den Oesterweger gar kein Problem: Ohne nachdenken zu müssen, erinnert er sich an Jahreszahlen und Ereignisse.
Und davon gibt es in seinem hohen Alter natürlich einige: Am 12. Juni 1906 in Aschen geboren, zieht er mit seiner Familie nach Kölkebeck, wo sein Vater als Landwirt einen Hof gepachtet hat. Als der Besitzer ihn 1918 zurückhaben möchte, geht die Familie nach Schleswig-Holstein, wo sein Vater in der Nähe wieder einen Hof pachten kann. Nach drei Jahren Schulunterricht in Kölkebeck, wo alle acht Klassen gleichzeitig von einem Lehrer unterrichtet wurden, in Halle und Gütersloh kommt er mit 13 Jahren auf die Präparandenanstalt des Lehrerseminars. Hier erlernt Erich Stratmann den Beruf, den später auch seine zwei Töchter ergreifen werden: Er wird Lehrer. »Mit 19 Jahren habe ich die erste Lehrerprüfung gemacht. Weil ich so jung war, benötigte ich die Genehmigung aus Berlin.«
Nach seinem Examen lässt sich Stratmann zusätzlich zum Mittelschul- und Sportlehrer ausbilden, unterrichtet in einer Privatschule in Hamburg, da es keine Stellen für junge Lehrer im Schuldienst gibt. Nach neun Jahren wird er Volksschullehrer in Erkenschwick.
Dann kommt der Krieg - und mit ihm die Kriegsgefangenschaft, in der der junge Lehrer schwer an Diphtherie erkrankt. »Wenn die Amerikaner nicht die nötigen Medikamente gehabt hätten, wäre ich gestorben.« 1948 kehrt er in den Schuldienst zurück. Die Schüler schätzen den ruhigen und höflichen Lehrer. 1956 wird er Rektor in Datteln - so lange, bis er wegen seiner Kriegsbeschädigung 1968 seine Pensionierung einreicht.
1975 kommen die Stratmanns nach Oesterweg: Die älteste Tochter Lore, die sich heute noch um ihren Vater kümmert, hat eine Stelle an der Matthias-Claudius-Schule. Die Familie zieht in den Müllerweg, wo sich der Pensionär, der seit 30 Jahren Witwer ist, mit viel Herzblut seinem Garten widmet. »Seit zwei Jahren geht es nicht mehr. Das ist mein großer Kummer«, sagt Erich Stratmann.
Auch wenn er inzwischen auf einen Gehwagen angewiesen ist: Seinen täglichen Spaziergang lässt er sich nicht nehmen. »Einmal den Müllerweg bis zum Ende und zurück.« Lässt das Wetter dies nicht zu, setzt er sich auf seinen Heimtrainer. »Ich muss mich schließlich bewegen.« Gerne war er früher auch bei den Wanderungen des Heimatvereins mit dabei.
Drei Mal habe er schon am Rande des Grabes gestanden, erinnert sich Erich Stratmann. Doch unterkriegen lässt sich der Jubilar damals wie heute nicht. Wie sein Rezept gegen das Altwerden lautet? Er habe nie geraucht, Alkohol sei ihm zuwider gewesen, entgegnet Erich Stratmann. »Ich habe vernünftig gelebt.« Und auch sein täglicher Mittagsschlaf, meint der Jubilar augenzwinkernd, ist Pflicht - genauso wie die Zeitungslektüre. Vor allem die Welt des Sports interessiert ihn sehr. Selbstverständlich wird er sich auch die Fußball-Weltmeisterschaft nicht entgehen lassen.
Heute wird der Jubilar sich feiern lassen: Von seinen zwei Söhnen und seinen zwei Töchtern, auf die er sehr stolz ist, acht Enkeln und elf Urenkeln im Alter von eineinhalb bis elf Jahren. Und seinen Mittagsschlaf halten. Denn den lässt er sich auch an seinem 100. Geburtstag nicht nehmen.

Artikel vom 12.06.2006