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Heimat ist, wo der Ball fliegt

Beim nächsten Spiel vergessen Podolski und Klose ihre Sprachkenntnisse

Berlin (WB). Alle gut gemeinten Ratschläge halfen nicht: Miroslav Klose und Lukas Podolski möchten sich zwar bei der WM als die »Unzertrennlichen« einen Namen machen, doch danach gehen sie auch weiter verschiedene Wege.

Dem Lockruf des FC Bayern München konnte Podolski kaum widerstehen, und so blitzten Werder Bremen und Klose mit ihrem Wunsch ab, den Stürmer nach dem Abstieg mit den Kölnern in der Fußballfamilie der Grün-Weißen aufzufangen. Dabei hätte dies vernünftig geklungen, denn bei den Bayern sind schon viele gescheitert, denen der große Durchbruch vorausgesagt worden war. In Bremen hätte es Podolski an der Seite des älteren Klose wahrscheinlich leichter.
Auch die Nationalelf hätte von der Zusammenführung der beiden Angreifer profitiert. Ein prima Paar aus einem Klub: nicht die schlechteste Idee.
Der Herkunft nach könnten sie Brüder sein. Klose wurde am 9. Juni 1978 in Oppeln geboren, Podolski am 4. Juni 1985 in Gleiwitz - nur 75 Kilometer trennen die beiden polnischen Orte. Die Familien zog es im selben Jahr nach Deutschland: Die Kloses ließen sich 1987 in Kusel in der Pfalz nieder, die Podolskis in Bergheim bei Köln.
Nun haben ihre Söhne zwei Heimaten, aber bei einer WM sind die Stürmer immer dort zu Hause, wo der Ball ins Tor fliegt. Gegen das Land ihrer Eltern anzutreten, mag allein schon deswegen nicht so einfach sein, weil die Polen bereits heimreisegefährdet sind.
Klose und Podolski werden für 90 Minuten auch ihre Sprachkenntnisse vergessen. »Wir reden oft polnisch miteinander«, sagt Podolski. »Aber sicher nicht in diesem Spiel. Wir müssen aufpassen, dass der Gegner uns nicht versteht.« Die beiden nehmen an dieser WM teil, um es mit Deutschland weit zu bringen.
Das dürfte zu Lasten Polens gehen, aber es wäre nicht persönlich zu nehmen, denn das deutsche Duo würde seine Wurzeln niemals kappen. Wenn Klose sagt, »nicht zu vergessen, wo ich herkomme«, dann hört sich das nur oberflächlich wie der übliche Spruch jener an, die längst ihr Geburtsland verlassen haben. In der Erziehung seiner Zwillinge orientiert sich der 28-Jährige immer noch an den Werten, die ihm als Kind von zu Hause mitgegeben wurden.
Bescheiden zu bleiben, gehört dazu. Sich unter schwierigen Umständen durchzusetzen, war auch etwas, das er begreifen musste. Klose kam über das Auffanglager Friedland nach Deutschland und musste in der Schule gleich als erstes eine Klasse tiefer. Er war acht. »Ich konnte die Sprache doch nicht«, erinnert er sich.
Kloses Karriereverlauf gibt es in keinem Generalplan. Der Spätentdeckte stürmte bis in die Teenagerzeit noch in der Bezirksliga. Dann entdeckten ihn der 1. FC Kaiserslautern - und Deutschland. 2002 erzielte Klose fünf WM-Tore. Trat er vor vier Jahren noch schüchtern und wortkarg auf, so etablierte sich der Bremer als gefragte Führungskraft, an der sich Podolski orientieren kann.
»Ich nehme seine Hilfe gerne an«, sagt der 21-Jährige, der als plappernder »Prinz Poldi« noch nicht mit beiden Beinen in der Erwachsenenwelt steht. Podolski kam mit elf zum 1. FC Köln. Nach einem langen Zwischentief unter Uwe Rapolder nähert sich Podolski nun wieder der alten Verfassung, verbunden mit jungenhafter Unbekümmertheit. Die hat sogar zwei FC-Abstiege überstanden.
Genug Tore, um dies zu verhindern, hat der »Prinz« nicht produziert; auf sein erstes WM-Tor wartet er noch. Das Klose-Konto steht mittlerweile bei sieben. Er würde nicht eine Sekunde zögern, auch gegen Polen zu treffen. Es ist nicht die Zeit des Bedauerns.
Lesen Sie auch auf der Seite 4 die Geschichte über Deutschlands Gruppengegner Polen.

Artikel vom 13.06.2006