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Das Wort zum Sonntag

 Von Pfarrer Rüdiger Müller, Nettelstedt


»Knöenn Sie das lseen? Afugrnud enier Stidue an der elingshcen Uävirestint Cmabrdige ist es eagle, in wlehcer Riehnelfgoe die Bcuhtsbaen in eniem Wort sethen. Das eniizg Wcihitge ist, dsas der estre und der lzette Bsthucabe am rcihgiten Paltz snid. Den Rset knan man dnan onhe Polbrmeee lseen. Das ghet dseahlb, weil das mnehcschile Geihrn nciht jdeen Bschutbean ezleinn liset, sodnern das Wort als Gnaezs.“
Diese Pressenotiz habe ich nämlich vor längerer Zeit beim Arztbesuch in einer Zeitschrift gelesen. Übrigens handelt es sich hierbei nicht um die Rechtschreibung nach der letzten Rechtschreibreform; es ist übrigens auch deutsche Sprache, was Sie soeben gelesen haben. Und - haben Sie alles verstanden? Nein? Dann fragen Sie doch einfach in Ihrer Familie oder in Ihrer Nachbarschaft, ob dort jemand ist, der alles verstanden hat. Und wenn Sie es verstanden haben, ist das um so besser! Erstaunlich ist das schon, dass Sie obiges Durcheinander der Buchstaben lesen und verstehen können.
Das ist schon ein interessantes Experiment. Allerdings kommen mir beim Lesen noch ganz andere Gedanken in den Kopf als den Forschern, die diese Experimente durchgeführt haben! Das ganze Durcheinander aller Buchstaben ist für uns gerade deshalb leicht zu durchschauen, weil der erste und der letzte Buchstabe am richtigen Platz sind. So einfach ist das. Alle Buchstaben können durcheinander gewürfelt werden. Solange der erste und letzte Buchstabe stimmen, ist alles stimmig und wir können es trotzdem lesen.
Ist nicht auch zuweilen in unserer Lebensgeschichte ein ähnliches Durcheinander vorhanden wie bei den obigen Buchstaben?
Und in der Weltgeschichte ist es wohl nicht anders. Oder?
Man hat den Eindruck, dass nur wenige Buchstaben an ihrem richtigen Platz sind. Nur wenig ist da, wo man meint, dass es dort auch wirklich hingehört. Und bei dem obigen Durcheinander der Buchstaben macht dennoch jedes Wort Sinn, weil der erste und der letzte Buchstabe stimmen.
Das zeitweilige Durcheinander meiner Lebensgeschichte ist dennoch sinnvoll; vorausgesetzt, der erste und letzte Buchstabe meiner Lebensgeschichte stimmen.
Das Wirrwarr der Weltgeschichte scheint zuweilen ein einziges Chaos zu sein, an dem wir Menschen kräftig chaotisch mitbauen. Und doch ist jedes einzelne Kapitel der Weltgeschichte sinnvoll; vorausgesetzt, der erste und letzte Buchstabe stimmen beziehungsweise machen das Durcheinander dazwischen stimmig und damit sinnvoll.
Der erste und der letzte Buchstabe sind in der Bibel ein Bild für Christus:
Jesus Christus ist das A und das O; das Alpha und Omega (1. und letzter Buchstabe des griechischen Alphabets). Er ist der »Erste und der Letzte«. Er ist der Anfang und das Ende der Welt. Er ist Ursprung und Ziel unseres Lebens. Er ist der Schöpfer und der Erlöser unseres Lebens.
Zwischen unserem ersten und letztem Atemzug, zwischen unserem Ursprung und Ziel, zwischen unserem Geboren werden und Sterben müssen ist häufig genug dieses Durcheinander der Buchstaben. Das macht uns das Verstehen und Entziffern unseres Lebenssinnes nicht gerade leicht.
Manches Durcheinander können wir nicht erklären, anderes gar nicht erst verstehen. Da ist es dann einfach nur gut, dass all dies eingerahmt ist von Gottes Macht bei der Schöpfung und seiner Liebe in Christus. Und dies macht dann doch wieder Sinn; selbst im scheinbaren Unsinn. Das ist Trost und Hoffnung zugleich für das Durcheinander zwischen dem ersten und letzten Buchstaben.

Artikel vom 10.06.2006