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Von der Sehnsucht nach Schnee im Juni

Delegation aus Kibagare/Kenia ist bis 25. Juni in Werther zu Gast - Besuch bei Bürgermeisterin

Werther/Borgholzhausen (dh). Es ist ihnen zu warm. Null Grad, Minustemperaturen oder sogar Schnee - das wäre ein tolles Bonbon gewesen, finden die Kenianer. Seit Anfang dieser Woche ist eine Delegation aus Kibagare (Nairobi) in Werther zu Gast. Gestern statteten sie Bürgermeisterin Marion Weike einen Besuch ab.

»It's a pleasure and an honor to be here - Es ist uns ein Vergnügen und eine Ehre, hier zu sein«, betonten die Lehrer Bernard Akama und Daniel Saulo immer wieder. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Anastasia Andenga und den fünf Schülerinnen Elizabeth, Joyce, Patricia, Winnie und Evelyne sind sie auf Einladung ihrer Partnerschule, der Peter-August-Böckstiegel-Gesamtschule, bis 25. Juni in Deutschland, leben in Familien in Werther, Borgholzhausen und Bielefeld.
Die Deutschen seien sehr freundlich, findet Evelyne. Schon am ersten Schultag habe sie sich in der Klasse gefühlt wie in ihrer eigenen, habe sich viel mit den deutschen Schülern unterhalten. Dass diese keine Uniformen tragen, sei allerdings ungewohnt, sagt Evelyne. Ihr Mathelehrer hat gestern zum ersten Mal Pizza »gekocht« und gegessen - auch für ihn ein außergewöhnliches Erlebnis.
In den kommenden Wochen erwartet die kenianische Delegation ein strammes Programm. Begleitet von den deutschen Lehrern Reimund Brockhoff und Jutta Richter wird sie nicht nur in den Alltag der Gesamtschule hineinschnuppern, sondern auch die Umwelttage mitgestalten, die GAB in Steinhagen kennen lernen, an Diskussionsforen und Seminaren teilnehmen oder nach Köln und Berlin fahren. Ein Höhepunkt wird das Fußballspiel am Mittwoch, 14. Juni, auf dem Sportplatz Meyerfeld sein: Um 18 Uhr treten kenianische und deutsche Schülerinnen gegen die Damenmannschaft des BV Werther an.
Bürgermeisterin Marion Weike empfing die Delegation gestern im Sitzungssaal des Rathauses und stellte den Gästen - natürlich in englischer Sprache - die Stadt vor. Und sie nutzte die Gelegenheit, um mehr über das Leben in Kenia zu erfahren: Die Jugendarbeitslosigkeit sei hoch, erzählte Anastasia Andenga, Lehrerin für Englisch und Geschichte. 300 Euro verdiene ein Lehrer im Durchschnitt - manche je nach Schulart 50 Euro, andere 1 000. Viele ihrer Landsleute gingen nach Ruanda, Tansania oder in den Sudan, um dort ihr Geld zu verdienen. Dennoch haben die Gast-Schülerinnen klare Vorstellungen von dem, was sie eines Tages sein wollen: Rechtsanwältin oder Journalistin, Pilotin oder Ingenieurin. Um diesen Traum wahr werden zu lassen, müssten nicht nur die Noten, sondern auch die Finanzen stimmen, räumt der Chemie- und Physiklehrer ein.
»Wir sollten uns vornehmen, Schul- und Städtepartnerschaft miteinander zu verzahnen«, wünschte sich Gesamtschulleiter Werner Lakeberg, der sich bei Marion Weike für ihren persönlichen Einsatz bedankte. Im nächsten Jahr wird eine deutsche Delegation nach Kibagare fahren. Eigentlich schade, dass sich Schnee als Gastgeschenk so schlecht transportieren lässt. . .

Artikel vom 08.06.2006