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Frische Luft gibt's gratis

Sommer, Sonne, fröhliche Gäste - welch ein Vergnügen

Carsten geht's richtig gut. Die Nachmittagssonne verwöhnt ihn, Vögel zwitschern und vor ihm steht ein kühles Bier. Wie der Bielefelder sitzen an diesem warmen Sommertag viele Menschen landauf, landab im Biergarten und lassen es sich gut gehen. Die Lust am Biertrinken im Freien ist nicht neu. Die Bayern haben's vorgemacht. Biergärten gibt es inzwischen deutschlandweit - idyllisch gelegene, aber auch Blumenkübel-geschmückte an befahrenen Straßen.
Diese Lust am Biertrinken im Freien ist nicht neu. Es ist auch nichts Neues, dass in inzwischen nahezu jede deutsche Stadt auf belebende Außengastronomie baut - sei es in der Fußgängerzone, in Parkanlagen, vor Eckkneipen oder Restaurants und auf Hotelterrassen. Auch Biergärten, richtig schöne, im Grünen gelegene, hat das Land vorzuweisen. Wiege und »Hauptsitz« der Biergärten aber ist München. Hier sind die ältesten, zahlreichsten und größten angesiedelt.
Die Entstehung des Biergartens ist, wie so vieles, dem Zufall zu verdanken und dem bayerischen König Ludwig I. Er hatte nämlich bestimmt, dass Bier nur in den Wintermonaten zwischen »Michaeli und Georgi« gebraut werden durfte. Doch wurde in Süddeutschland damals auch gerne untergäriges Bier getrunken, das zum Gären eine Temperatur von vier bis acht Grad braucht. Da es noch keine künstliche Kühlung gab, konnte es in der warmen Jahreszeit nicht gebraut werden. Also kein Untergäriges im Sommer? Das war unvorstellbar. Deshalb ließen die findigen Brauer außerhalb der Stadt an den Flusshängen bis zu zwölf Meter tiefe Kellerhöhlen schlagen. Hier lagerte und reifte das Bier in Fässern unter riesigen Brocken von Natureis, das im Winter aus Flüssen und Seen geschlagen wurde.
Zum Schutz vor der Sonnenwärme streuten die Brauer hellen Kies auf die Kellerhöhlen 8und pflanzten Schatten spendende Kastanien oder Linden. An diesem angenehmen Ort wurde nun im Sommer das frische Bier ausgeschenkt. Die Sache sprach sich schnell herum, und schon bald zogen ganze Scharen von Durstigen »auf den Keller«. Als die kleineren Brauereien Münchens merkten, wie gut der Bierausschank da draußen lief, begannen sie, um ihre Existenz zu fürchten. Denn nur die Großen der Branche konnten sich einen eigenen Bierkeller leisten. Also zogen die »Klein-Brauer« vor Gericht.
König Ludwig I. hatte Verständnis für die Klage. Mit salomonischer Weisheit verfügte er, dass zwar weiter Bier auf den Kellern ausgeschenkt werden durfte. Aber es war verboten, dort auch Essen zu servieren. Hungrige Gäste, die sich gern von einer Mahlzeit verwöhnen ließen, zog es deshalb wieder in die bayerische Metropole.
Die anderen brachten sich die Brotzeit selbst mit auf den Bierkeller. Dabei ist es in den meisten süddeutschen Biergärten bis heute geblieben. Und so packen Familien, Freunde, Cliquen, Paare die blauweiß-karierte Tischdecke, Krautsalat, Brezeln, Leberkäs' und Presssack in einen Korb - und ab geht's in den Biergarten.

Artikel vom 07.07.2006