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Kruzifix wirkt
fast »modern«

Restauriert: Kreuz aus Canossa-Zeit

Von Manfred Stienecke
(Text und Foto)
Paderborn (WV). Ein fast 1000 Jahre altes Kruzifix aus Lippstadt ist jetzt in Paderborn für die große »Canossa«-Ausstellung (21. Juli bis 5. November) heraus geputzt worden.

»Das Kreuz ist der Höhepunkt dessen, was wir aus unserem Erzbistum in der Ausstellung zeigen können«, freut sich der Direktor des Paderborner Diözesanmuseums, Dr. Christoph Stiegemann, über die Leihgabe aus der Katholischen Pfarrkirche St. Martin im Lippstädter Ortsteil Benninghausen. Das ursprünglich aus dem ehemaligen Benediktinerinnenkloster der Gemeinde stammende Kruzifix gilt als ein frühes Musterbeispiel für die kirchlichen Reformbemühungen der Canossa-Zeit.
So zeigt das sakrale Kunstwerk eine in ihrer Expressivität regelrecht »modern« wirkende Jesusgestalt. Während der Corpus Christi in frühen mittelalterlichen Kreuzigungs-Szenen stets vom Leiden gezeichnet dargestellt wird, fehlt dem Benninghausener Kruzifix alles physisch Gedrückte. Ohne die blutenden Wundmale und die Dornenkrone wirkt der Corpus vergeistigt und fast schwerelos, wenngleich die Passion spürbar bleibt.
Restaurator Andreas Ahlers, Mitarbeiter der Paderborner Spezialfirma »ars colendi«, hat das zwischen 1070 und 1080 - also genau zur Zeit des köngiglichen Bußgangs 1077 nach Canossa - entstandene Kruzifix für die Paderborner Schau hergerichtet. »Der Corpus aus Kerneiche befand sich in gutem Zustand«, konnte er bei seinen Untersuchungen feststellen. Die konsevatorische Behandlung beschränkte sich daher auf die sorgfältige Reinigung vom Schmutz und Staub der letzten Jahrzehnte. Finanziert werden konnte die Maßnahme aus einer für Restaurationszwecke von der Bank für Kirche und Caritas bereit gestellten Spendensumme.
Die Kirchengemeinde Benninghausen braucht übrigens während der Zeit der Ausstellung auf ihr Hauptkreuz im Altarraum nicht zu verzichten. Das Diözesanmuseum hat als Ersatz eine vor etwa 20 Jahren angefertigte Kopie aus dem eigenen Museumsbestand zur Verfügung gestellt.
Die Restauratoren, die die aus einem Stück gearbeitete Christusfigur - lediglich die Arme sind angesetzt - für die Pflegemaßnahme vom Kreuz abgenommen hatten, müssen die Arbeit jetzt noch einmal auseinander nehmen. Museumsleiter Stiegemann möchte das mittelalterliche Kunstwerk nämlich ohne die vermutlich in den achtziger Jahren ausgetauschten jüngeren Holzbanken zeigen und damit den Blick der Ausstellungsbesucher auf das dem berühmten Gero-Kreuz aus dem Kölner Dom nachempfundene Christusbild konzentrieren. Der Pfarrer aus Benninghausen, Pastor Christian Laws, signalisierte dafür gestern spontan sein Einverständnis: »Kein Problem!«

Artikel vom 02.06.2006