02.06.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Traumhaftes« von Mozart
erobert Herzen im Flug

Ensemble des »Emma-Theaters« Osnabrück bravourös


Bünde (öse). Mozart, Tom Jones und »The Troggs« - eine sehr eigenwillige Konstellation, so könnte man glauben. Gewiss, manche Pfade der Musik sind verschlungen und kontrastreich, sorgen gerade deshalb für neue Frische auf dem täglichen Weg. Ähnlich wie am Mittwoch im Stadtgarten, wo die Inszenierung »Cosi - was Mozart nie zu träumen wagte« die Zuschauerherzen bewegte und beinahe traumhafte »Beifallsquoten« erhielt.
Die Akteure des »Emma-Theaters« Osnabrück erwiesen sich allesamt als großartig, meisterten die oft sehr schwierigen Rollen mit Einfühlungsvermögen und hinreißender Darstellungskunst. Sich in eine Person hineinzuversetzen, die seit längerem in einer psychiatrischen Klinik lebt, ihre Bewegungsabläufe und sprachlichen Einschränkungen bis aufs i-Tüpfelchen einzustudieren und wiederzugeben - all das bedarf einer souveränen schauspielerischen Leistung.
Patienten in einer Psychiatrie - sind diese überhaupt fähig, ihre Gedanken zu einer »Sammlung« sinniger, anspruchsvoller Worte zusammenzufassen, um sie dann als Theaterstück zu präsentieren? Und welches Publikum würde da eigentlich Interesse bezeugen? Alles kein Problem, wenn der richtige Regisseur die Fäden in der Hand hält und etwaige »Knäuel« abnormer Handlungsweisen zu entwirren versteht. Wie Lewis alias Friedrich Witte, der die ganze Truppe mit eisernem Willen regiert.
Wenn Mozarts »Cosi fan tutte« Dreh- und Angelpunkt solch einer Aktion sein soll, dann ist Engagement pur gefragt. Doch Zwangsneurotikerin Ruth (Nicole Averkamp) stimmt anstatt einer Arie lieber »Wild Thing« an. Der größte Hit der »Troggs« ist beim visionären Publikum in Australien - dort spielt die Handlung - vielleicht nicht so gefragt. Die realen Zuschauer in Bünde applaudieren, was das Zeug hält.
Auch er wird mit Szenenapplaus verwöhnt: »Zac« von Oliver Meskendahl hervorragend gemimt, hat sich mit Leib und Seele den Songs von Tom Jones verschrieben. Dunkle Klangfarben bei »Daughter of darkness« und Riesengesten bei »Delilah« - alles in perfekter Manier des »Tigers«. Brillant und bewegend dann der jeweilige »Zusammenbruch« nach jedem Stück und wie es Meskendahl gelingt, minutenlang in einer Pose auf seinem Klavier zu verharren.
Die drogensüchtige Julie und die kapriziöse Lucy: Anjorka Strechel kann beide Rollen mit viel Charme verkörpern. »Brennendes« Interesse zeigt Doug an vielen Sachen. Für Johannes Schäfer, der den Pyromanen spielt, entflammt auch das Publikum.
Die weiteren Akteure Daniel Ratthei, Jan Schreiber, Joahnnes Bussler und Katharina Quast spielen sich ebenfalls in die Herzen - bei den Zuschauern in Bünde und Australien, wo »Cosi fan tutte« zum Riesenhit im Theater avanciert. Der Schlussapplaus explodiert - wohlverdienter Lohn für die außergewöhnlichen Darsteller.

Artikel vom 02.06.2006