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Willkommen im großen WM-Theater

Literaturkurse des zwölften Jahrgangs nehmen sich des Fußball-WM-Randgeschehens an

Versmold (mh). Spätestens seit Anfang dieses »WM-Superjahres« ist allen Deutschen klar: Das Fußballspiel an sich macht bei diesem Großereignis den geringsten Teil aus. Fast wichtiger scheinen da die Belebung der Konjunktur, die Begegnung von Tausenden ausländischer Fans und die hohen Sicherheitsbestimmungen in den Stadien. Die Literaturkurse der Jahrgangsstufe zwölf des CJD-Gymnasiums nun hegen allerdings einige Zweifel am reibungslosen Ablauf.

Dass ihre Zweifel berechtigt sind, bewiesen sie dem Publikum am Mittwoch- und Donnerstagabend. »WM 2006 - Da ist doch was foul« hatten sie entsprechend ihre bunte Bühnencollage betitelt, in der sie sich um alle Aspekte kümmerten, die nicht mit dem direkten Spielgeschehen auf dem Platz zusammenhängen. Gnadenlos deckten sie dabei alle Missstände auf, die nur in den Statements der Verantwortlichen theoretisch schon ausgeräumt sind, und weckten in ihnen die Komik dieses praktischen ChaosÔ. Erarbeitet hatten sie ihre Darbietung im Verlaufe dieses Schuljahres mit ihren Lehrern Britta Möhring und Friedhelm Wortmann.
Die Verknüpfungen zwischen den Einzelszenen schaffte Rasmus Nesemann als sachlicher, unglaublich wichtiger Eröffnungsredner, dessen deftige Pointen deshalb um so besser zur Geltung kamen. Seine »Ackermannstiftung für notleidende Manager« ist da noch ein harmloses Beispiel.
Die Einzelszenen aus dem »WM-Leben« bestachen sämtlich durch eine treffende und reiche Ausstattung. Immer wieder mussten die Akteure nur auftreten, um den ersten Applaus zu bekommen, so Emilia Stawarz als softeisleckender Indianer Wildes Wiesel, die beiden Stadiontürsteher Harry und Murat (Matthias Redecker und Nils Höcker) mit Sonnenbrillen und Knopf im Ohr oder Florian Lückebergfeld, der als biederer, biertrinkender Fußballgucker Paul in Unterhemd und Trainingsanzug einen klasse Auftritt hinlegte. Die Ausstattung hatte sich übrigens nicht auf Kostüme und Bühnenbild beschränkt: Schon am Eingang wurden die Besucher im »CJD-Stadion« empfangen, in der Pausenhalle konnten sie ihre Sitzschale dann schnell einem der Stadionblöcke zuordnen.
In den Szenen bedienten sich die Schüler aller erdenklichen Themen und schufen so runde Situationen mit viel Inhalt. Das Aufeinandertreffen der Fans aller Nationalitäten im Zug wurde (mit kleinen Seitenhieben auf die Deutsche Bahn) ebenso aufgegriffen wie die Sicherheitskontrollen im und am Stadion, die wegen der Vogelgrippe- und sonstiger Gefahren nicht einmal dreckige Schuhe zulassen, oder das Verhalten der »Very Important Persons« - mit Wladislaw Jahn als arrogantem Herrn Reich und dem herrlich trocken spielenden Jonas Werner als Herr R. Folg.
Und selbstverständlich durfte das Fanverhalten der verschiedenen Couleur nicht fehlen: Nikolaj Plaksin, Alexander Olbricht und Valérie Chaillan griffen die Turbulenzen um die Ticketvergabe auf. Die unterschiedlichsten, aber immer haargenau getroffenen Fantypen (vom Betrunkenen bis zum Schnauzbärtigen, der offenkundig schon vorgeburtlich Fan war) trafen im Schnellrestaurant aufeinander. Und die Gruppenreaktionen des Fanblocks auf den Verlauf des Deutschlandspiels gehörten ebenfalls zu diesen spannenden, sehr unterhaltsamen 90 Minuten.

Artikel vom 02.06.2006