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Mehr als 2000
Ärzte bestochen?

Korruptionsfälle weiten sich aus

Von Ernst-Wilhelm Pape
München (WB). In einem der bisher größten Korruptionsverdachtsfälle im Gesundheitswesen hat die Staatsanwaltschaft München bundesweit insgesamt 2200 Strafverfahren gegen Klinikärzte und Mitarbeiter des Pharmaunternehmens Bristol-Myers Squibb (BMS) eingeleitet.

Es werde wegen Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung ermittelt, sagte Oberstaatsanwalt Anton Winkler gestern dieser Zeitung. Der Großteil der Verfahren betreffe Klinikärzte. Den beschuldigten Medizinern werde vorgeworfen, Vorteile der Firma BMS, wie Bargeld, Geschenke, die Finanzierung von Privatveranstaltungen sowie die Übernahme von Weihnachtsfeier-Kosten, genossen zu haben. Als Gegenleistung sollen Produkte der Pharmafirma eingekauft worden sein. BMS zählt zu den größten Pharmaunternehmen der Welt.
Zwei Jahre nach der Durchsuchung der BMS-Zentrale in München stehe die Auswertung der beschlagnahmten Unterlagen vor dem Abschluss, sagte Winkler. Noch im Sommer würden die Ermittlungsverfahren gegen Ärzte an die zuständigen Staatsanwaltschaften abgegeben.
Im Mai 2004 hatte es in München auch eine Razzia beim Pharma-Konzern Servier Deutschland GmbH gegeben. Die Auswertung der Unterlagen habe die Einleitung von 200 Strafverfahren gegen Ärzte und Firmenmitarbeiter ergeben. Auch im Fall Servier werde wegen Vorteilsgewährung und Vorteilsannahme ermittelt.
In einem dritten Korruptionsfall im Gesundheitswesen habe sich die Zahl der Ermittlungsverfahren von zunächst 90 auf 300 erhöht, sagte Winkler. Der international tätige japanische Pharmakonzern Fujisawa soll von 1998 bis 2003 in Deutschland leitende Klinikärzte bestochen haben. Firmenmitarbeiter sollen durch die Bezahlung von vermutlich wertlosen »Studien« und »Anwendungsbeobachtungen« den Absatz eines Medikamentes zur Unterdrückung von Abstoßreaktionen nach Nieren- und Lebertransplantationen gefördert haben. Einmal verschrieben, nimmt der Patient dasselbe Präparat bis zum Lebensende ein. Von einem Wechsel wird abgeraten.
Bereits im Juli 2003 waren im Rahmen der Ermittlungen acht Transplantationszentren in München (zwei Kliniken), Stuttgart, Bonn, Hannover, Hamburg, Münster und Berlin durchsucht worden. Auch in diesem Fall habe sich der Korruptionsverdacht erhärtet.

Artikel vom 02.06.2006