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Neue Armut:
Viele leben
»verdeckt«

Podiumsdiskussion im DB-Haus

Bad Oeynhausen (sto). Das Thema »Neue Armut« stand im Zentrum einer Podiumsdiskussion, zu der der Arbeitskreis der Dekade zur Überwindung von Gewalt ins Dietrich-Bonhoeffer-Haus eingeladen hatte.

Pfarrer i.R. Peter-Michael Voß als Moderator konnte als Teilnehmer an dem Gespräch den Bundestagsabgeordneten Wolfgang Spanier, Bad Oeynhausens Sozialamtsleiter Wolfgang Budde und Lothar Wittkowski, Sozialarbeiter im Diakonischen Werk des evangelischen Kirchenkreises Vlotho begrüßen.
Am Beginn stand die Definition, wer in der Bundesrepublik als arm gelten könne. »Armut in der so genannten ersten Welt heißt zumeist, dass die betroffenen Menschen nicht am normalen gesellschaftlichen Leben teilhaben können«, so Wolfgang Spanier. Diese Menschen könnten nicht aus eigener Kraft einen angemessenen, sich am jeweiligen Existenzminimum orientierenden Lebensunterhalt bestreiten. Der Armutsbericht der Bundesregierung setzt 60 Prozent des mittleren Nettoeinkommens, das sind 938 Euro, als Grenze zur so genannten relativen Einkommensarmut.
Auf die konkrete Lebensumwelt bezogen, bestreite rund zehn Prozent der Bevölkerung in einer Stadt wie Bad Oeynhausen ihren Lebensunterhalt aus staatlichen Hilfen zum Lebensunterhalt, so Wolfgang Budde. Als Gründe dafür wurden an erster Stelle der Verlust des Arbeitsplatzes, aber auch Krankheiten wie Alkohol- und Drogenabhängigkeit genannt. Doch nicht nur Arbeitslose sind von Armut betroffen, auch bei den Erwerbstätigen sei das Armutsrisiko, insbesondere bei gering bezahlten Tätigkeiten, gestiegen. Es gebe eine verdeckte Armut von Menschen, die eigentlich einen Rechtsanspruch auf staatliche Unterstützungsleistungen hätten, den Gang zum Sozialamt aber scheuten, so Budde.
Lothar Wittkowski, Sozialarbeiter beim Diakonischen Werk, beschrieb das Hilfsangebot des Diakonieladens, der dem Bundesverband deutscher Tafeln angeschlossen ist. Dort bekommen Bedürftige gegen einen symbolischen Beitrag Lebensmittel. »Die Zahl der Menschen, die dieses Hilfsangebot in Anspruch nehmen, ist seit der Eröffnung dieses Ladens permanent gestiegen«, sagte der Sozialarbeiter.
Wolfgang Spanier plädierte dafür, mit der Hilfe früh einzusetzen. Vor allem in der Bildungs- und Familienpolitik könnte viel mehr getan werden, um das Armutsrisiko zu senken. Es herrschte Übereinstimmung auch darüber, dass ein soziales Sicherungssystem notwendig sei: »Der Sozialstaat ist verpflichtet, ein Leben in Menschenwürde zu sichern«, fasste der Abgeordnete zusammen.

Artikel vom 31.05.2006