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Keine Chance für Motorraddiebe

Der Chef des Automuseums jagt zwei gestohlene Maschinen quer durch Europa

Von Thomas Hochstätter
Bad Oeynhausen (WB). Diebe sollten es sich zwei Mal überlegen, im Bad Oeynhausener Automuseum zuzuschlagen. Besitzer Holger Veh schlägt nämlich zurück. Nach europaweiter Suche hat er jetzt zwei gestohlene Motorrad-Oldtimer in den Niederlanden und in England wiedergefunden. Ein mutmaßlicher Hehler stand gestern vor dem Amtsgericht.
Museumschef Holger Veh hat die Spur seiner Wanderer bis in die Niederlande verfolgt.Foto: WB-Archiv

Die Liebhaberstücke, eine Wanderer von 1917 und eine MZ-Rennmaschine aus den sechziger Jahren, waren zwischen Mitte 2004 und Anfang 2005 aus dem Motor-Technica-Museum an der Weserstraße gestohlen worden. Dort sind rund 400 Motorräder ausgestellt.
Ein Kripobeamter, der gestern als Zeuge gehört wurde, vermutete, die beiden Maschinen seien zunächst tagsüber aus dem Gebäude geschoben und irgendwann nachts vom Gelände geholt worden. Dazu soll ein Maschendrahtzaun durchtrennt worden sein.
Als Holger Veh den Diebstahl bemerkte, machte er sich selbst daran, seine beiden Motorräder ausfindig zu machen. Monate habe das gedauert, sagte er während der Gerichtsverhandlung - einschließlich verdeckter Recherche im Internet. »Ich habe europaweit mit vielen Sammlern gesprochen«, berichtete Holger Veh. »Von der Wanderer ist ja bekannt, dass sie nach Bad Oeynhausen gehört.« Seinem Wissen nach gebe es diese Maschine nur ein einziges Mal auf der Welt. Fündig wurde der 45-Jährige schließlich bei einem Sammler in den Niederlanden.
Und nur das Ehrgefühl dieses Mannes habe dazu geführt, dass Veh sein Motorrad wiederbekam. »Nach niederländischem Recht hätte er sie nicht hergeben müssen. Denn er hatte sie zu einem realistischem Preis erworben«, erklärte Veh den anderen Prozessbeteiligten. »Doch was hätte mir das Geld von der Versicherung gebracht? Ich wollte mein Motorrad zurück.«
Ins Blickfeld der Polizei rückte durch Vehs Vorarbeit ein heute 31-jähriger Mann aus dem niedersächsischen Landkreis Hameln-Pyrmont. Er sagte gestern aus, er habe die beiden Maschinen auf einem großen Markt am Stadtrand von Budapest gekauft. »In Ungarn kann man noch richtige Schnäppchen machen.« 3 000 Euro will der Niedersachse für das Liebhaberstück bezahlt haben. Für 7 150 Euro verkaufte er die Wanderer dann an eine Spezialfirma für Oldtimerfahrzeuge in den Niederlanden weiter. Und diese Firma ließ sich 10 000 Euro von dem Sammler bezahlen.
Das andere Motorrad, die MZ-Rennmaschine, soll der Angeklagte übers Internet an eine Firma in der südenglischen Grafschaft Berkshire verkauft haben.
Er habe sich keine Gedanken gemacht, Motorräder ohne Papiere zu erwerben, erklärte der Mann. »Bei Maschinen, die vor etwa Baujahr 1970 entstanden sind, ist das der Normalfall.« Auf Typschilder und Nummern des Kraftfahrtbundesamtes könne man sich bei Schnäppchen im ehemaligen Ostblock auch nicht verlassen.. Dass solche Geschäfte bar abgewickelt würden, sei ebenfalls ganz normal.
Um seine Ungarn-Geschichte zu belegen, will der Mann bis zur Fortsetzung der Verhandlung nach Pfingsten Kontoauszüge beschaffen, die die Herkunft der Kaufsumme plausibel machen.
Ursprünglich hatte die Staatsanwaltschaft ihm nämlich die Einbruchdiebstähle im Oeynhausener Automuseum zur Last gelegt. Diese Taten werden ihm jedoch nach den Eindrücken des ersten Verhandlungstages schwerlich nachzuweisen sein. Bleibt die Frage, ob die Richterin ihm den gutgläubigen Kauf in Budapest abnimmt.
Museumsbetreiber Holger Veh hat derweil von der Staatsanwaltschaft gefordert, dass sie ihn dabei unterstützt, die MZ-Rennmaschine aus England zurückzubekommen. »Das ist schließlich Diebesgut.« Der andere Oldtimer, die Wanderer, steht schon wieder an der Weserstraße. Und Holger Veh wird sie nicht wieder hergeben.

Artikel vom 31.05.2006