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»Wissen, wann
man verloren hat«

Imbissbrand-Prozess wird fortgesetzt

Rietberg/Bielefeld (uko). Auch der dritte Angeklagte des Rietberger Imbissbrand-Prozesses wird sich auf eine lange Haftstrafe gefaßt machen müssen. Das Bielefelder Landgericht hat dem Verteidiger des 18-jährigen Rußlanddeutschen Alexej C. nach eindeutigen Zeugenaussagen nahegelegt, rasch »die Verteidigungsstrategie zu überdenken«.

Imbissbetreiber Naci A. (22) hatte die Brandstiftung in seinem Grill an der Stennerlandstraße am 30. Oktober 2005 geplant. Ausführende Täter waren nach Ansicht der Staatsanwaltschaft sein Bruder Michael A. (17), Gelal H. (21) und Alexej C. Michael A. war infolge einer Verpuffung verschiedener Brandbeschleuniger so schwer verletzt worden, dass er eine Woche später in einer Dortmunder Spezialklinik seinen Verletzungen erlegen war.
Während die Angeklagten A. und H. ihre Tatbeteiligung am eresten Verhandlungstag weitgehend zugegeben hatten (das WESTFALEN-BLATT berichtete), bestand Alexej C. darauf, den Imbiss in jener Nacht überhaupt nicht betreten zu haben. Er habe nur »Schmiere gestanden«, habe von den Vorfällen in dem Gebäude nichts mitbekommen, habe daher auch das Feuer nicht entzündet. Zudem sei er seinerzeit allein weggelaufen, habe sich versteckt und keinen Kontakt mehr zu den Mittätern gehabt. Genau das wirft ihm Staatsanwalt Christoph Mackel jedoch vor. Mehr noch: Gelal H. bezeichnete den gebürtigen Russen sogar als »treibende Kraft«. C. habe in den Tagen vor der Tat mehrfach gedrängt, den Imbiss doch endlich anzuzünden. Die 1. Jugendkammer des Landgerichts hörte am Dienstag eine Reihe von Zeugen, nach denen die Aussage des 18-Jährigen kaum noch haltbar ist. So hatte der Vater des Angeklagten Gelal H. erklärt, Alexej C. habe den Rest der Nacht mit seinem Sohn in seiner Wohnung verbracht. Ein anderer Zeuge, will H. und C. am frühen Morgen mit seinem Wagen an der Aral-Tankstelle in Rietberg mitgenommen haben und zur Wohnung des Gelal H. gefahren haben. Dieser Zeuge wurde vom Gericht auf seine Aussage sogar vereidigt.
Der Eigentümer des Hauses an der Stennerlandstraße hatte zudem betont, noch mit dem schwerverletzten Michael A. gesprochen zu haben. Demnach habe das Opfer mehrfach erklärt, außer ihm hätten sich noch zwei Männer in dem Imbiss befunden. Eine Bewohnerin des Hauses hatte obendrein Stimmen von zwei Männern gehört, die direkt nach dem Ausbruch des Brandes weggelaufen sein. Kammervorsitzender Reinhard Kollmeyer regierte nach diesen Belastungszeugen recht deutlich. Zum Angeklagten Alexej C. und seinem Bielefelder Verteidiger Tim Gruber sagte Kollmeyer: »Man muss wissen, wann man verloren hat.« - Das Verfahren wird am Dienstag fortgesetzt.

Artikel vom 27.05.2006