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»Wir hatten das ganze Dorf
zur Hochzeit eingeladen«

Eheleute Reimer gaben sich vor 65 Jahren das Ja-Wort

Von Thomas Meyer (Text und Foto)
Herford (HK). Ein seltenes Ehejubiläum feiern am heutigen Donnerstag Peter und Elisabeth Reimer: Sie gaben sich vor 65 Jahren das Ja-Wort. Die Eiserne Hochzeit soll mit der Familie, mit Freunden und Bekannten gebührend gefeiert werden.

Als die 20-jährige Elisabeth Wiebe mit ihrem Vater, einem Finanzbeamten und Parteifunktionär, in Peter Reimers Geburtsort Franzfeld (heute Warwarovka in der Ukraine) kam, lernte sie den 19-jährigen Landwirt kennen - und lieben. Im Mai 1941 läuteten die Hochzeitsglocken. Noch im gleichen Jahr erblickte ihr erstes Kind das Licht der Welt. »Zur Hochzeit wurde das ganze Dort eingeladen«, schmunzelt Peter Reimer, »wir haben Briefe an Bekannte verschickt, die wiederum an ihre Freunde schrieben.«
1941 erreichte die Wehrmacht Franzfeld und rekrutierte Peter Reimer. Als Dolmetscher diente er dort bis 1945. »Während dieser Zeit besuchte ich zum ersten Mal Deutschland - ein beeindruckendes Erlebnis«, erzählt Peter Reimer, der drei Monate in Wuppertal lebte. Noch gut kann er sich an seine erste Fahrt mit der Schwebebahn erinnern. Bis zum Kriegsende verschlug es seine Familie immer wieder an andere Orte in Osteuropa. Nach 1945 mussten die Reimers elf Jahre lang in einer Gefangenensiedlung in Sibirien bei zeitweise minus 50 Grad Celsius leben.
Nach der Freilassung 1956 durften sie aber nicht in ihre Heimat zurückkehren. Stattdessen zogen sie nach Kasachstan, wo Peter Reimer 23 Jahre lang als Bauingenieur tätig war und bis zu 200 Arbeiter beschäftigte. Seine Frau fand derweil Anstellung in einer Ziegelei und verputzte Wände. Im Mai 1990 kam das Ehepaar nach Deutschland, wohnte zunächst in verschiedenen Notunterkünften und zog allein in Herford, wo Peter Reimers Schwester lebte, viermal um. Jetzt sind die Eheleute glücklich in ihrer liebevoll eingerichteten Wohnung an der Lockhauser Straße. Der Besuch der Gottesdienste in ihrer Gemeinde ist ihnen auch heute noch überaus wichtig: »Wir haben Deutschland viel zu verdanken.«

Artikel vom 25.05.2006