25.05.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Publikum zu Gast
in »Reality-Show«

Schüler spielen »Container-Helden«

Von Manfred Stienecke
Paderborn (WV). Null Bock auf Theater? Von wegen! Zehn jugendliche Theaterpaten der Westfälischen Kammerspiele haben jetzt selbst ein Stück auf die Bühne gebracht.

Das Ergebnis der monatelangen Erarbeitungs- und Probenphase wurde jetzt mit »Container-Helden« in der Probebühne der Kammerspiele vorgestellt. Unter der Regie der Kammerspiel-Theaterpädagogin Enikö Varga entstand eine muntere Szenenfolge über den Traum junger Leute vom großen Geld und privaten Glück.
Als Handlungsrahmen wählte die Schülergruppe eine Szenerie, die man bestens kennt - durch die tägliche TV-Überschwemmung mit Seifen-Opern und sogenannten Reality-Shows. Das Theaterpublikum ist zu Gast im Wohn-Container einer »Big-Brother«-Liveshow, in dem neun junge Leute für drei Monate - abgeschottet von der Außenwelt, aber rund um die Uhr von der Kamera beobachtet - zusammenhocken, um das ausgelobte Preisgeld von einer Million Euro zu gewinnen. Gezeigt wird, wie man sich mit der konkreten Situation arrangiert, aber auch, wie man sich Vorteile im gegenseitigen Konkurrenzkampf zu verschaffen versucht.
Die Schüler-Darsteller agieren überraschend souverän, textsicher und spielfreudig. Den meisten gelingt sogar eine glaubhafte Charakterzeichnung. Ihre jeweilige Rollen-Befindlichkeit wirkt einstudiert, aber nicht aufgesetzt. Und so entspinnt sich ein flotter Handlungsfaden auf der überschaubaren Aktionsfläche. Man flirtet und streitet miteinander, sucht Abstand und Nähe, genießt das Gruppenerlebnis oder strickt an Intrigen. Jeder Darsteller steuert außerdem das zum Gelingen der Aufführung bei, was er am besten kann: Ballett und Bauchtanz, HipHop und Jazztanz, Theaterspiel oder einfach nur Witzeerzählen.
Die einzige Schwäche des Stücks ist vielleicht sogar dem ausgelaugten Fernseh-Format anzulasten: Es mangelt an einer wirklichen dramatischen Entwicklung. Dass die »Befreiung« aus dem Container gelingt, nachdem eine eher »harmlose« Mutprobe scheitert, ist nur das billige Happy-End einer vielversprechenden Stückidee.

Artikel vom 25.05.2006