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»Müssen Abgeordnete Autogramme geben?«

MdB Lena Strothmann zu Besuch bei der Klasse 5 b des Evangelischen Gymnasiums Werther


Werther (Felix). Dass jemand, der in Berlin im Bundestag arbeitet und die Bundeskanzlerin persönlich kennt, wirklich nur einen kleinen Smart als privates Auto fahren soll, mochten die Jungen und Mädchen der Klasse 5 b des Evangelischen Gymnasiums Werther kaum glauben. Und nicht nur damit überraschte Handwerkskammer-Präsidentin und Bundestagsabgeordnete Lena Strothmann die Klasse, die sie zum Besuch eingeladen hatte.
Eine Schulstunde lang löcherten die Schüler Lena Strothmann gestern mit ihren vorbereiteten Fragen, wollten wissen, wie gut sie als Schülerin gewesen war oder ob sie das Fach Politik früher gemocht hatte. »Das gab es zu meiner Schulzeit noch gar nicht«, erklärte die 53-Jährige Isselhorsterin (Gütersloh) die für den im Wahlkreis Werther/Bielefeld im Bundestag sitzt.
Stellwände mit Collagen zu politischen Themen hatten die Schüler gemeinsam mit ihrem Lehrer Rolf Bauerdick bereits in den vergangenen Wochen peu á peu vorbereitet, darunter natürlich auch Artikel über ihren Gast. »Wir hatten im Rahmen des Bundestags-Wahlkampfes eigene Parteien entwickelt und die Ergebnisse dem neuen Bundetagspräsidenten sowie den Abgeordneten aus dem Wahlbezirk zukommen lasen«, beschrieb der Politiklehrer noch einmal das Zustandekommen des Kontaktes.
Großes Interesse zeigten die Schüler an der persönlichen Situation einer Bundestagsabgeordneten. Sie wollten genau wissen, ob man als Prominenter auf der Straße oft erkannt würde und Autogramme geben müsse oder wie sie Angela Merkel fände: »Das ist eine sehr sympathische Frau, die sehr klug ist und sehr bescheiden auftritt - das gefällt mir an ihr.«
Haarig wurde es für die CDU-Politikerin aber dann doch. Denn die Fünftklässler hatten auch politische Fragen. Gerade beim Reizthema Schuldenabbau und Mehrwertsteuererhöhung ließen die Sextaner nicht locker: »Wenn man die Steuern erhöht, kauft doch keiner mehr was«, zeigte einer von ihnen Auswirkungen auf. Auch, dass Lena Strothmann ein klares Votum pro Schulzeitverkürzung abgab, regte den Widerspruch und die Diskussionsfreude der Schüler.
Ob sie gerne Bundeskanzlerin werden wolle? Da merkte man plötzlich der bis dahin sehr gelassenen Politikerin, die - die Beine lässig übereinander geschlagen - bereitwillig Rede und Antwort stand, ein nachdenkliches Zögern an. »Nein, das möchte ich nicht«, kam als entschiedene Antwort. »Ich habe jetzt schon eine 70- bis 80-Stunden-Woche«, stellte sie klar, dass sie ihr Zuhause und vor allem die Arbeit im eigenen Garten Staatsbesuchen in China vorziehe. Was sie als Kanzlerin ändern würde? »Ich würde die Arbeitslosenzahlen verringern wollen - aber dafür braucht man auch mehr Firmen, die Leute einstellen.«
Schulleiter Gerhard Koch freute sich über den hohen Besuch aus Berlin. »Ich finde es ganz toll, dass Sie die Zeit gefunden haben, ihren zukünftigen Wählern die Politikverdrossenheit zu nehmen.«

Artikel vom 23.05.2006