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Die Kolumne Stadtgespräch erscheint mittwochs in dieser Zeitung.

Stadt
Gespräch

40 Jahre am »Katzentisch« (173. Folge):»Heil dir mein Paderborner Land«


P aderborn zählte 1928 rund 36 000 Einwohner. Die gastliche Stadt wies 250 Betten in Hotels und Gasthöfen auf. Gezahlt werden mussten je Übernachtung zwischen zwei und sechs Reichsmark, fürs Frühstück 0,75 bis 1,60 und volle Verpflegung 5,50 bis zwölf Reichsmark. Sechs Hotels hatten schon eine Zentralheizung, mehrere boten Garagen und Stallungen an. Die größten Hotels waren Löffelmann (»Zum weißen Schwan«) am Kamp, der »Westfälische Hof« (Burgard, Westernstraße) und der »Deutsche Hof« (Lohmann, Bahnhofstraße) mit 60 und zweimal 40 Betten.
Der Verkehrsverein Paderborn, vor 95 Jahren gegründet, gab 1928 einen »Führer durch Paderborn« heraus. Ein Exemplar stellte mir ein Klassenkamerad bis 1941, Peter Humbert, zur Verfügung. Im Vorwort hebt A. Gembris die »ehemalige Hauptstadt des gleichnamigen Fürstbistums als eine der ältesten Kulturstätten im nördlichen Deutschland« hervor. Auch für »geistige Genüsse« war seinerzeit in Paderborn schon reichlich gesorgt durch Museen, Büchereien, Theater, Lichtspiele, Vorträge, Konzertaufführungen aller Art, geschlossene und öffentliche Gesellschaften der Vereine. Die Stadt an den Paderquellen wurde als Ruhesitz gepriesen: »Paderborn wird wegen seiner vielen Vorzüge von Rentnern und Pensionären gern zum Wohnort gewählt.«
Studienrat Limberg gibt in diesem Stadtführer einen Einblick in die Geschichte der Stadt und stellt den wirtschaftlichen Aufschwung nach 1850 durch den Anschluss ans Netz der Eisenbahn heraus: »Wenngleich außer den Eisenbahn-Ausbesserungswerken keine größere Industrie vorhanden ist, so stehen doch die übrigen Gewerbebetriebe wie Druckereien, Möbelfabriken, Brauereien, Handwerk und Kunsthandwerk in hoher Blüte. Die strebsame Kaufmannschaft erfreut sich eines guten Rufes. Als Stadt der Schulen und höheren Bildungsanstalten ist Paderborn altersher rühmlich bekannt, ebenso als Mittelpunkt eines Bistums, des zweitgrößten in Deutschland.«
Vor acht Jahrzehnten waren die Stadtverwaltung und die Polizei im Gebäude Grube Nr. 1 neben der Gaukirche untergebracht, ebenfalls die Kämmereikasse, das Bau- und das Wohnungsbauamt. Der Landrat hatte sein Büro und viele Dienststellen am Busdorfwall. Dort waren auch die Kreis-Kommunalkasse und das Steuer- und Versicherungsamt. Landgericht und Staatsanwaltschaft hatten als Adresse Domplatz Nr. 8, das Amts- und Arbeitsgericht Am Rothoborn 1. Das Gerichtsgefängnis mit hoher Treppe vorm Portal war in der Königstraße 23 (heute C & A). Büros des Finanzamtes gab es in der Rosenstraße und Am Abdinghof; ein Neubau wurde in der Ferdinandstraße geplant. Die Stadtsparkasse bilanzierte im Rathaus, die Kreissparkasse gleich nebenan im Schildern.
Badeanstalten: Kaiser-Karls-Hallenbad, Flussbäder von Alme (am westlichen Stadtrand) und Pader (Inselbad) und Lippe-Militär-Schwimmanstalt hinter den Fischteichen.
Prof. Fuchs beschreibt im Stadtführer vor 78 Jahren Paderborns Bau- und Kunstdenkmäler, A. Gembris lädt zum Rundgang durch Paderborn ein. Spaziergänge führten zum Schützenplatz und Inselbad, zu den Fischteichen und nach Marienloh, zur ländlichen Kaffeewirtschaft am Dören und nach Eulenbrock an der Driburger Straße, zur Schönen Aussicht und zum Haxtergrund (Weyher am Walde), zur Mönkeloh, Alme Aue (heute Finke), Wilhelmshöhe und nach Neuhaus. Mit der Straßen- und Eisenbahn und Omnibussen konnten Sennelager, Bad Lippspringe, Schlangen, Kohlstädt, Bärental, die Externsteine, Horn, das Eggegebirge sowie das Alme- und Altenautal angesteuert werden.
Der Paderborn-Führer von 1928 endet mit dem Gedicht eines unbekannten Liebhabers unserer Stadt: »Heil dir, mein Paderborner Land. Vom bewaldeten Weserstrand bis in die blühende Heide! Deine grünen Bergeshöhen, deine Täler, lieblich schön, sind meine Wonne und Freude!«Georg Vockel

Artikel vom 24.05.2006