22.05.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Badetag am e.Point:
Wohnen unter Wasser

Zukunftsvisionen: Kunstmarathon an 26 Stationen

Von Collin Klostermeier
Gütersloh (WB). Die Wetterprognosen für die »langenachtderkunst« waren in diesem Jahr alles andere als ideal - Sturmböen und Regenschauer, na toll. Entgegen der Befürchtung der Veranstalter kamen aber doch wieder viele Menschen in die Innenstadt. »An den Stationen war es fast immer voll«, wusste Bürgermeisterin Maria Unger nach drei Stunden Kunstmarathon zu berichten, »nur auf der Straße hat man in diesem Jahr nicht so viele Leute gesehen.«

All denjenigen, die sich am e.Point das Wohnexperiment »Via Acquatica 62-67« des Fotografen Garvin Nolte ansehen wollten, konnte das Wetter egal sein - nass wurden sie sowieso, galt es doch, auf dem Weg zu den Kunstwerken in ein Wasserbassin zu springen und in die Ausstellung zu schwimmen. »Die Leute mussten hier Mut zur Kunst zeigen«, erklärt Garvin Nolte den obligatorischen Sprung ins kalte Wasser, »man sollte die Unterwasser-Bilder nur sehen können, wenn man selbst nass ist.« Einmal durchgerungen, bekamen die Ausstellungsbesucher Badehose und Handtuch geliehen und mussten sich zudem verpflichten, bis zum Ende der Veranstaltung nichts über die Ausstellung zu erzählen. Dann durften sie ins 20 Grad kalte Wasser abtauchen und eine hervorragende Ausstellung besichtigen, die Garvin Nolte in drei Nachtschichten in der Welle und im Nordbad fotografiert hatte. Die Bilder transportieren die Vision vom Wohnen unter Wasser, möglich gemacht durch die fiktive, vom Künstler höchstpersönlich ersonnene Sauerstofftablette.
Auf derlei chemikalische Unterstützung waren die »Oralapostel« einige Meter weiter auf dem Berliner Platz nicht angewiesen. Die Performancekünstler aus Bielefeld brauchten lediglich ein paar Flaschen Rotwein, um sich im »Oraltraum« in bester Slapstickmanier gegenseitig die weißen Hemden zu versauen. So etwas kann schon mal passieren, wenn Männer in die orale Phase zurückfallen. . .
Nach dieser Sauerei bot sich eine kleine Auszeit an, warum nicht gleich eine Weltreise - die dauerte am Samstag in der Fuhrmannsgasse schließlich nur acht Minuten. Zumindest, wenn man mit »Gating«, einer interaktiven Installation des Fotografen und Mediengestalters Per Pegelow, auf Reisen ging. 55 Panoramabilder von fünf Flughäfen machten so das Zusammenspiel von Globalisierung und Medialisierung erlebbar. In der Tat: Ein Klick und schon war man nicht mehr in Düsseldorf, sondern in Los Angeles. Weiter gings zum Dreiecksplatz, wo rostige Stahlvögel des Bielefelder Künstlers Manfred Jung gerade zum »Eckflug« ansetzten. In der Feldstraße 19 erwarteten hingegen dadaistische Improvisationen von Patrick Weiland, den Gastgeber Rainer Wortmeier begeistert als »ganz schräg und abgefahren« bezeichnete, die Besucher.
Weitere Highlights waren die Installationen von Ute Marion Poeppel im Gütersloher Kunstverein, der »Theaterdonner« im Stadtmuseum und natürlich das Abschlusskonzert der Blaskapelle »Schwarz-Rot Atemgold 09«, die dem Publikum zum großen Finale um Mitternacht ordentlich den Marsch blies.

Artikel vom 22.05.2006