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Ein Herforder auf der
Suche nach der Zeit

Uni-Dekan Jörg Rüpke befasst sich mit dem Kalender

Von Hartmut Horstmann
Herford (HK). Wer den aus Herford stammenden Wissenschaftler Jörg Rüpke sprechen will, benötigt Beharrungsvermögen. Denn als Dekan der Universität Erfurt hat der 44-Jährige wenig Zeit. Überhaupt Zeit: Das Thema beschäftigt den Professor. So heißt sein neues Buch »Zeit und Fest - Kulturgeschichte des Kalenders«.

Das Buch erschien im renommierten Beck-Verlag, die bisherigen Rezensionen fallen positiv aus. Für Rüpke die Bestätigung sorgfältiger Arbeit - so vermittelt das 16 Seiten umfassende Literaturverzeichnis einen Eindruck von der wissenschaftlichen Recherche, die notwendig ist, das Kalender-Thema zu durchdringen.
Die geistigen Grundlagen für derartige Buch-Projekte wurden in der Region gelegt. Nachdem Rüpke die ersten Lebensjahre in Herford verbracht hatte, zog seine Familie nach Bad Salzuflen. Sein Abitur machte er in Heepen. Da Rüpkes Eltern nach wie vor in Bad Salzuflen leben, bestehen die Kontakt in die Heimat fort. 1999 trat er eine Professur für Vergleichende Religionswissenschaft an der Universität Erfurt an.
Der Weg von der Religion zum Kalender ist nicht weit. So bildet die Bestimmung fester Termine eine Voraussetzung, um religiösen Pflichten nachkommen zu können.
Eine gegliederte Zeiteinteilung ist für die Menschen des 21. Jahrhunderts eine bis zur Verplantheit gehende Selbstverständlichkeit. Auf welche Belange ein Kalender, der im alten Rom auch die Gerichtstage festzusetzen hatte, Rücksicht nehmen musste, macht Rüpke an einem Beispiel deutlich: »Dass niemand seinen Gegner zur Zeit der Getreide- oder Weinernte zwingen darf, vor Gericht zu erscheinen, wird in einer Senatsrede des göttlichen Marc Aurel zum Ausdruck gebracht.«
»Vor den Römern lebten die Menschen nach dem Mond«, weiß der Autor, der sich in der Publikation schwerpunktmäßig mit den Grundlagen des modernen Kalenders beschäftigt. Und diese gehen auf Julius Caesar (Julianischer Kalender) zurück. Für eine Weltmacht wie Rom sei fehlende Planbarkeit nicht akzeptabel gewesen. Die Einführung von Kalendern, von Zeitschemata hat somit auch stets mit Herrschaft zu tun - ein Zusammenhang, den Rüpke genau beleuchtet. Und mit Eitelkeit. So hat sich der Name des Herrschers im Monatsnamen Juli verewigt.
Ein spannendes Thema, und Rüpke hat trotz seiner Belastung als Dekan ein neues Buch-Projekt im Hinterkopf: »Mich interessiert das Verhältnis von Religion und Medien.« Einerseits komme die Religion ohne Vermittlung von Medien nicht aus, andererseits könne gerade die Vermittlung als Gefahr empfunden werden: »Wenn sie in einen Bilderkult ausartet.«
Jörg Rüpke: Zeit und Fest. Eine Kulturgeschichte des Kalenders. Beck-Verlag München. 256 Seiten.

Artikel vom 20.05.2006