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Von Matthias Reichstein

Paderborner
Perspektiven

Erfolgsgarant heißt Jos Luhukay


Glückwunsch, SC Paderborn 07! Über 34 Spieltage nie in akute Abstiegsgefahr geraten und als bester Neuling die erste Saison als Neunter beendet - alle Achtung, diese souveräne Spielzeit hat Maßstäbe gesetzt und für bundesweite Beachtung gesorgt.
Hinter dem Erfolg steht an erster Stelle der Name Jos Luhukay. Der Trainer aus Holland ließ begeisternden Offensivfußball spielen und sorgte für einen fast kontinuierlichen Zuschauerzuwachs, wie ihn Paderborns Fußball seit mehr als 20 Jahren nicht mehr erlebt hat. 6576 Fans kamen im Schnitt zu den 17 Heimspielen, allein 9272 wollten den Aufsteiger VfL Bochum sehen. Die insgesamt 111800 Besucher füllten das Hermann-Löns-Stadion, weil der Fusionsklub zwischenzeitlich sogar den Aufstiegskurs eingeschlagen hatte und sieben Spiele ungeschlagen blieb. In erster Linie kamen aber so viele Zuschauer, weil der gebotene Zweitliga-Fußball richtig gut war.
Den spielte der SC Paderborn besonders in der Hinrunde, sammelte 26 Punkte und legte den Grundstein zum Ligaverbleib. Hier war die richtige Mischung, die Luhukay überraschend schnell fand, der Schlüssel zum Erfolg. Der Trainer ohne Diplom vertraute Aufsteigern wie Lukas Kruse, Markus Bollmann, Stephan Maaß, Thorsten Becker, Benjamin Schüßler oder René Müller. Er gruppierte darum Neuzugänge wie Roel Brouwers, David Fall, Garry de Graef, Dennis Schulp oder Marcel Ndjeng und baute noch ein Talent wie Daniel Brinkmann ein. Der kleine Kader präsentierte sich als überragendes Kollektiv. Mehr geht nicht.
Als in der Rückrunde die Vorbereitung erst im Schnee stecken blieb, später bis zu sieben Stammspieler ausfielen, jammerte Luhukay nicht. Der 42-Jährige vertraute seinem Team, nie waren auch nur leise Zweifel zu hören. Das verdient Respekt und der 3:2-Sieg in Karlsruhe zum Abschluss höchste Anerkennung. Aber der SCP hat, zumindest sportlich, auch Glück gehabt. Bei den Transfers vor der Saison war nur die Verpflichtung von Danijel Stefulj ein Flop, alle anderen Einkäufe zufriedenstellend. Spieler wie de Graef, Brouwers, Fall, Schulp oder Ndjeng lieferten sogar Überragendes ab. Wie auch Thorsten Becker und Stephan Maaß. Beide SCP-Eigengewächse waren bis zu ihrem Kreuzbandriss die Stabilisatoren im Mittelfeld - eine Leistung, die dem Duo selbst im engsten SCP-Umfeld kaum jemand zugetraut hatte.
Bei allem berechtigtem Lob, der SC Paderborn ging aber auch sehr blauäugig ins erste Zweitligajahr. Dass von zehn Neuzugängen nur einer das Prädikat »untauglich« bekommt, ist eine Quote, wie sie kaum wiederholbar ist. Aber eine Bilanz, die für den viel zu kleinen Kader überlebenswichtig war. Trotzdem wär's fast schief gegangen. Als sich in der Hinrunde Torhüter Stephan Loboué verletzte und mit Zsolt Petry (39) plötzlich ein Torwart-Trainer, der seit Jahren keine Spielpraxis mehr hat, auf die Bank musste, war das unprofessionell. So etwas kann den Klassenerhalt kosten. Dass sich mit Becker und Maaß gleich zwei Stammspieler schwer verletzten, ist Pech. Dass aber damit beispielsweise für Linksverteidiger Garry de Graef monatelang kein Ersatz zur Verfügung stand, ist eine weitere Nachlässigkeit, die im Bundesligafußball normalerweise sofort brutal bestraft wird.
G ut, wirtschaftliche Zwänge ließen kaum noch Spielraum. Das war wohl auch Hauptursache für die mäßige Klasse der Wintereinkäufe, bei denen nur Torhüter Tom Starke die Erwartungen erfüllte. Geld ist keine Garantie für gute Spieler, aber ein Zweitligakicker, der dem SCP weiterhelfen könnte, kostet nun einmal pro Jahr etwa 200 000 Euro an Gehalt. Um bei einem 3,5-Mio.-Etat für einen 23 Spieler umfassenden Kader auszurechnen, dass es da ganz eng im Portmonee wird, dazu braucht es kein Mathematik-Studium.
Deshalb hängt das Wohl und Wehe des Vereins am Stadion-Bau. Doch darüber ist an dieser Stelle schon genug kommentiert und diskutiert worden. Jeder weitere Satz über die Paragon-Arena lohnt augenblicklich nicht. Nur soviel: Kommendes Jahr wird der SC Paderborn 100 Jahre alt. Eine neue Arena mit zweitligareifen Trainingsbedingungen lässt sich zwar schlecht einpacken, ein schöneres Geschenk gäb's aber nicht. Und verdient haben es sich Trainer, Spieler und Verein sowieso.

Artikel vom 20.05.2006