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Farbenrausch aus Peru

Ausstellung im Rathaus bis zum 11. August zu sehen


Hiddenhausen (man). Harlekine, Heilige: In ungewohnter Farbigkeit erstrahlt die Galerie im Rathaus Lippinghausen. Die Farben scheinen zu explodieren, ziehen die Blicke des Besuchers, der vielleicht nur ein Formular abgeben will, unweigerlich auf sich. Nein, verstecken muss und will sich die Malerei des aus Peru stammenden Künstlers Jorge Luis Carrillo nicht. »Venedig - Erzählungen« lautet der Titel der Ausstellung, die bis zum 11. August zu sehen ist (das HERFORDER KREISBLATT berichtete).
Venedig - der touristisch geprägte Ostwestfale denkt an Masken, Karneval und Kanäle. Und Carrillo kommt diesen Erwartungen entgegen, ohne ihr Erfüllungsgehilfe sein zu wollen. Doch die Inspirationen waren zu mächtig, als der seit Jahren in Berlin lebende Künstler die Stadt im Wasser kennnen lernte. Hinzu kommt das religiöse Moment: »Alle zehn Meter eine Heiligenfigur - das hinterlässt Spuren.«
Die Affininät zu starken Farben sieht der Künstler auch als Konsequenz der eigenen Herkunft. 10 000 Jahre Indianerkultur drücken sich hier aus. Auf den ersten Blick irritierend sind die vielen Totenköpfe - doch Leben und Tod gehören zusammen, sagt Carrillon.
Herrscher-Figuren werden zum Harlekin, missmutig dreinschauend. Auch die Infantin, die der Künstler mit entblößter Brust abbildet, blickt verhärmt, neben ihr zwei Teufel. Venedig, stellvertretend für Europa, mag bunt sein, aber nicht immer fröhlich. Der Verfall gehört dazu, der Reiz ergibt sich aus den Kontrasten, die in Carrillon einen künstlerisch versierten Chronisten gefunden haben. Das Surreale der Bilder steigert den Wirklichkeitsgehalt - kein Geringerer als Thomas Mann bezeichnete Venedig als die »Unwahrscheinlichste aller Städte.«

Artikel vom 19.05.2006