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Böse Männer darf man anschreien

Selbstbehauptungskursus für Eltern und Kinder an der Grundschule Westerwiehe

Von Meike Oblau
Rietberg-Westerwiehe (WB). Mit Kisten und Bänken ist in der Turnhalle Westerwiehe provisorisch ein Bus nachgebaut worden. Ein fremder Mann nähert sich einem kleinen Jungen, will ihn überreden, ihn in die Eisdiele zu begleiten. Bei den Erwachsenen im Selbstbehauptungskursus gehen alle Warnlichter an. Mit Rollenspielen wie diesen will Kursleiter Björn Otto Kinder auf mögliche Gefahrensituationen vorbereiten.

Pascal reagiert im Rollenspiel genauso, wie Björn Otto es befürchtet hatte. Gutgläubig geht er mit dem fremden Mann mit. Pascals Mutter schlägt die Hände über dem Kopf zusammen: »Das hätte ich nie erwartet!«
Natürlich geht es in dem Selbstbehauptungskursus, der von der Grundschule und der Schulpflegschaft organisiert und mit Hilfe der Gleichstellungsstelle der Stadt Rietberg und des Kreises Gütersloh finanziert wird, nicht darum, unnötig Schreckensszenarien zu entwickeln. »Wir möchten aber, dass die Kinder ein Gespür dafür entwickeln, was sich Erwachsene oder Mitschüler erlauben dürfen und was nicht.« Deswegen die Rollenspiele. Im Dialog mit den Kursteilnehmern - der Wochenendkursus ist für Eltern und Kinder gleichermaßen gedacht - entwickelt Björn Otto Ideen, wie Kinder sich in brenzligen Situationen helfen können. Er spielt die Busszene mit Pascal ein zweites Mal, gibt ihm vorher ein paar »Regieanweisungen«. Jetzt weiß der Erstklässler, was er zu tun hat. Als der Fremde ihm auf die »Pelle« rückt, schreit er laut durch den ganzen Bus: »Fassen sie mich nicht an!« Dadurch erregt er die Aufmerksamkeit der anderen Passagiere.
»Unsere Ziele sind Gewaltprävention, Deeskalation und Selbstbehauptung, sowohl verbal als auch durch Körpersprache«, schildert Björn Otto, der diese Kurse im Namen des Instituts für Gewaltprävention, Selbstbehauptung und Konflikttraining (IGKS) leitet. Kinder müssen lernen, nein zu sagen, auch gegenüber Erwachsenen. »Es muss für die Kinder klar werden, was Erwachsene dürfen und was nicht. Zum Beispiel, dass fremde Erwachsene sie nicht einfach anfassen dürfen.« Im Kursus lernen die Grundschüler beispielsweise, wozu Angst gut ist. »Angst, also dieses ungute Gefühl im Bauch, ist eure Alarmanlage«, beschreibt Otto. In den Rollenspielen geht es auch um Situationen auf dem Schulhof oder auf der Straße. Lautes Neinsagen wird gleich geübt. »Es nützt nichts, wenn ihr leise piepst, dann nimmt euch keiner ernst. Ihr müsst durch Lautstärke zeigen, dass es euch ernst ist«, gibt Otto den Kindern Tipps. Meist bietet er Selbstbehauptungskurse am Wochenende an, inzwischen ist er aber auch im Rahmen der »Offenen Ganztagsschule« aktiv. »Je eher die Kinder mit den Kursen beginnen, desto besser. Wichtig ist eine gewisse Nachhaltigkeit, die Eltern müssen das Gelernte mit ihren Kindern zu Hause wiederholen, damit es sich einprägt«.

Artikel vom 18.05.2006