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Senkrechtstarter mit Bodenhaftung

Seite an Seite mit Odonkor: FCO-Duo erinnert sich an gemeinsame Kreisauswahl-Zeiten

Von Alexander Grohmann
Bad Oeynhausen (gag). In ganz Deutschland haben die Fußball-Anhänger die WM-Nominierung von David Odonkor (22) erstaunt zur Kenntnis genommen. Für zwei Fußballer des FC Bad Oeynhausen hat die WM-Teilnahme des jungen Dortmunder Flügelflitzers eine ganz persönliche Note: Folker Krüger und David Grohmann haben in ihrer Jugend mit Odonkor in einer Mannschaft gespielt.

»Ich war total perplex, als ich von seiner Nominierung gehört habe«, erinnert sich Grohmann an den ominösen Montag. Teamchef Jürgen Klinsmann gab seinen WM-Kader bekannt - und das FCO-Duo staunte Bauklötze, als der Name Odonkor fiel. Die drei haben schließlich eine gemeinsame Vergangenheit, ehe die Kicker-Karrieren eine unterschiedliche Entwicklung einschlugen: In der D- und C-Jugend standen die heutigen Verbandsliga-Akteure mit dem gebürtigen Bünder in der Herforder Kreisauswahl. Lehrgänge, Spiele, Trainingslager - mehrere Male pro Saison kam der Kader zusammen. Meistens auch dabei: David Odonkor.
»Er war immer relativ ruhig«, erinnert sich David Grohmann (damals wie Krüger bei der JSG Hücker-Aschen/Dreyen) an den heutigen Spieler des Bundesligisten Borussia Dortmund als jemanden, der sich trotz seiner herausragenden Fähigkeiten nicht in den Mittelpunkt, geschweige denn über die Kollegen gestellt hat. »Er war nie arrogant.« Die individuelle Klasse des Sohnes einer Deutschen und eines Ghanaen war aber schon damals nicht zu übersehen.
Schon in der F- und E-Jugend war man sich regelmäßig auf den Sportplätzen im Kreis Herford über den Weg gelaufen. Der »Bubi-Blitz«, wie ihn die BILD-Zeitung kürzlich getauft hat, kickte in dieser Zeit für seinen Heimatclub JSG Holsen/Ahle. Eine Mannschaft, die bis auf den pfeilschnellen Odonkor nicht viel zu bieten hatte. »Er war damals schon der überragende Spieler auf dem Platz und allen anderen mit seiner Schnelligkeit überlegen. Gegen ihn gab es keine Taktik«, erinnert sich Grohmann. Ein Sprinter, aber aben kein Torjäger: »Wir haben meistens gewonnen, weil David viele Chancen einfach nicht genutzt hat. Er war schon damals eher ein Vorbereiter.«
Als Odonkor später beim Bünder SV bessere Mitspieler hatte, kam sein Können noch mehr zur Geltung. Mit 14 Jahren schaffte er den Absprung in den Nachwuchsbereich von Borussia Dortmund. Und dem Durchbruch in der Bundesliga in dieser Saison folgte jetzt die vorläufige Krönung des steilen Aufschwungs. Trotz der Defizite in Tor-Nähe kann der junge Mann aus Bünde zu einem wichtigen Bestandteil der Nationalmannschaft werden. »Wenn man ihn richtig einsetzt, ist er unberechenbar«, denkt Grohmann. Wie, das deutete er soeben an: Bei seinem DFB-Debüt im Test gegen den Verbandsligisten Luckenwalde steuerte Odonkor am Dienstag eine Tor-Vorlage für Miroslav Klose bei. Die Nummer eins im deutschen Sturm lobte den flinken Flankengeber anschließend anerkennend über die Maßen: »Er kann eine Waffe für uns werden.«
Schnelligkeit und Kraft - das sind die Trümpfe des heimischen Senkrechtstarters. Und die spielte er früh aus. Bei einem Kreisauswahl-Wochenende betraten Krüger und Grohmann als C-Jugendliche fremdes Terrain. »Wir sind mal aus Spaß ins Kraftstudio der Sportschule gegangen.« Hanteln heben zählte damals noch nicht zu den gängigen Freizeitbeschäftigungen der Jugendlichen. Während die meisten Spieler schon an kleinen Gewichten verzweifelten, muss Odonkor den Mitspielern wie Obelix vorgekommen sein: »Er schaffte auf Anhieb 100 Kilo.« Es ist weniger Neid, sondern vielmehr Bewunderung für den einstigen Gefährten, die Grohmann und Krüger beim Blick auf die steile Karriere Odonkors empfinden. »Es ist ja schon etwas Besonders, dass man mal mit einem Nationalspieler in einer Mannschaft stand«, freuen sich die beiden FCO-Akteure mit dem rasanten Rechtsaußen. Während des Turniers werden Krüger und Grohmann natürlich die Daumen drücken - zuvor haben sie selbst aber noch einen wichtigen Fußball-Auftrag zu erfüllen: Der in arge Abstiegsnot geratene FC Bad Oeynhausen benötigt dringend Punkte zum Erhalt der Klasse. Die späte Rettung wäre für die heimischen Fußballer fast so viel wert wie für Odonkor der Anruf von Jürgen Klinsmann.

Artikel vom 18.05.2006